Nach Einschätzung der meisten Ökonomen belastet
der Brexit das Wachstum der europäischen Wirtschaft.
Paul Krugman hingegen teilt die Meinung nicht, dass das britische EU-Referendum („Leave“) auf die kurze Sicht einen wesentlichen Schock auf der Nachfrage-Seite der Wirtschaft auslösen würde.
Nach der Ansicht des im Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschenden
Wirtschaftsprofessor sagen Standard-Wirtschaftsmodelle nichts darüber, dass
eine schlechte wirtschaftspolitische Massnahme auf der Angebotsseite
notwendigerweise auch für die Nachfrageseite kurzfristig etwas Schlechtes nach
sich ziehen würde.
Aber der IMF
sagt heute, dass der Brexit die Wirtschaftskraft der Eurozone spürbar
treffen würde.
Es wird sich bald zeigen, wer Recht hat. Bemerkenswert
ist aber, dass der signifikante Rückgang der Renditen der als sich geltenden
Staatspapiere nicht mit einem Rückgang der Aktienpreise einhergeht. Das heisst,
dass die Bond-Märkte nicht von einer Portfolio-Umschichtung von riskanten
Vermögenswerten in sichere Finanzanlagen profitieren.
Das kann sicherlich so angedeutet werden, dass
die Verflachung der Renditekurve mit dem Sparwahn als Beiprodukt der
Austeritätspolitik zu tun hat.
Viel zu viele Länder sind in Infrastruktur
unterinvestiert, und zwar seit Jahrzehnten, was auf dem Wirtschaftswachstum
lastet, Graph: McKinsey Global Institute „Bridging Global Infrastructure
Gaps“, June 2016
Was ist aber zu tun, wenn es tatsächlich zu einer
Krise, bzw. einer Rezession kommt? Die Frage ist berechtigt, weil die
Leitzinsen der Zentralbanken bereits seit mehreren Jahren nahe Null liegen und
nach unten kaum Spielraum für weitere Zinssenkungen vorhanden ist.
Eine Idee wäre „fiscal QE“, beschreibt The Financialist. Das heisst: expansive
Fiskalpolitik, wo Zentralbanken eine entscheidende Rolle spielen könnten.
Die Rendite der schweizerischen und der
japanischen Staatsanleihen im negativen Bereich; die niedrigsten Werte weltweit, Graph: Bloomberg
Credit Suisse nennt dazu mehrere
mögliche Geschmacksrichtungen, die von sehr wahrscheinlich (koordinierte Geld-
und Fiskalpolitik) bis zu sehr schwierig reichen, einschliesslich von „Helicopter Money“ (HM), wo die Zentralbanken entweder die Staatsanleihen mit langen
Laufzeiten kaufen, um Staatsausgaben zu finanzieren oder Geld mit
Negativ-Verzinsung an die Geschäftsbanken leihen, mit dem Auftrag, dass sie Kredit
an die Verbraucher und Unternehmen gewähren, und zwar zinslos.
China gibt jährlich für die Infrastruktur mehr aus als Nord-Amerika und West-Europa zusammengerechnet, Graph: McKinsey Global Institute „Bridging Global Infrastructure Gaps“, June 2016
Eine durchführbare Form von „fiscal QE“ wäre ein
Prozess, wo die Zentralbanken sich mit politischen Entscheidungsträgern
ausserhalb der gewöhnlichen Umgebung zusammentreffen, um Infrastrukturausgaben
zu erleichtern.
Öffentliche Finanzinstitute könnten z.B. Anleihen
ausgeben, um Projekte in schmerzlich mangelhaften Bereichen der Infrastruktur
von wesentlicher Bedeutung zu finanzieren. Zentralbanken könnten diese Anleihen
aufkaufen, und (abgesehen von default-Fällen)
effektiv Stimulus fördern, ohne Staatsverschuldung zu vermehren.
Der Rückgang der Investitionen der öffentlichen Hand in den fortentwickelten Volkswirtschaften, Graph: McKinsey Global Institute „Bridging Global Infrastructure Gaps“, June 2016
Die Sache hat aber einen Haken: Die Strategie
funktioniert nur, wenn dazu profitable Infrastrukturprojekte finanziert werden,
wo die Anleihen nicht ausfallgefährdet sind.
McKinsey
Global macht vor diesem Hintergrund in einem lesenswerten Bericht auf die „Unterinvestitionen
in Infrastruktur“ in den grössten Volkswirtschaften aufmerksam. Die USA,
Grossbritannien und Deutschland geben heute zu wenig Geld aus, um
Grundbedürfnisse für die nächsten 15 Jahre zu erfüllen, so die Aussage der
Analyse.
Um die Investitionslücke in Infrastruktur zu
schliessen, braucht beispielsweise Deutschland
Ausgaben in Höhe von rund 0,4% des BIP, d.h. rund 13,4 Mrd. EUR pro Jahr.
Die grössten Schwierigkeiten sehen die
CS-Analysten allerdings in Europa. Die Begründung ist natürlich die Politik,
die sich im Grunde genommen gegen Ausgaben aller Art stellt.
Interessant ist aber die Einschätzung der
Analysten, dass Japan das einzige
Land wäre, das eher eine „Helicopter Money“-Politik betreiben würde.
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