Freitag, 8. Juli 2016

Kommt nach Brexit nun „fiscal QE“?


Nach Einschätzung der meisten Ökonomen belastet der Brexit das Wachstum der europäischen Wirtschaft.

Paul Krugman hingegen teilt die Meinung nicht, dass das britische EU-Referendum („Leave“) auf die kurze Sicht einen wesentlichen Schock auf der Nachfrage-Seite der Wirtschaft auslösen würde.

Nach der Ansicht des im Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschenden Wirtschaftsprofessor sagen Standard-Wirtschaftsmodelle nichts darüber, dass eine schlechte wirtschaftspolitische Massnahme auf der Angebotsseite notwendigerweise auch für die Nachfrageseite kurzfristig etwas Schlechtes nach sich ziehen würde.

Aber der IMF sagt heute, dass der Brexit die Wirtschaftskraft der Eurozone spürbar treffen würde.

Es wird sich bald zeigen, wer Recht hat. Bemerkenswert ist aber, dass der signifikante Rückgang der Renditen der als sich geltenden Staatspapiere nicht mit einem Rückgang der Aktienpreise einhergeht. Das heisst, dass die Bond-Märkte nicht von einer Portfolio-Umschichtung von riskanten Vermögenswerten in sichere Finanzanlagen profitieren.

Das kann sicherlich so angedeutet werden, dass die Verflachung der Renditekurve mit dem Sparwahn als Beiprodukt der Austeritätspolitik zu tun hat.
  


Viel zu viele Länder sind in Infrastruktur unterinvestiert, und zwar seit Jahrzehnten, was auf dem Wirtschaftswachstum lastet, Graph: McKinsey Global InstituteBridging Global Infrastructure Gaps“, June 2016


Was ist aber zu tun, wenn es tatsächlich zu einer Krise, bzw. einer Rezession kommt? Die Frage ist berechtigt, weil die Leitzinsen der Zentralbanken bereits seit mehreren Jahren nahe Null liegen und nach unten kaum Spielraum für weitere Zinssenkungen vorhanden ist.

Eine Idee wäre „fiscal QE“, beschreibt The Financialist. Das heisst: expansive Fiskalpolitik, wo Zentralbanken eine entscheidende Rolle spielen könnten.



Die Rendite der schweizerischen und der japanischen Staatsanleihen im negativen Bereich; die niedrigsten Werte weltweit, Graph: Bloomberg

Credit Suisse nennt dazu mehrere mögliche Geschmacksrichtungen, die von sehr wahrscheinlich (koordinierte Geld- und Fiskalpolitik) bis zu sehr schwierig reichen, einschliesslich von „Helicopter Money“ (HM), wo die Zentralbanken entweder die Staatsanleihen mit langen Laufzeiten kaufen, um Staatsausgaben zu finanzieren oder Geld mit Negativ-Verzinsung an die Geschäftsbanken leihen, mit dem Auftrag, dass sie Kredit an die Verbraucher und Unternehmen gewähren, und zwar zinslos.



China gibt jährlich für die Infrastruktur mehr aus als Nord-Amerika und West-Europa zusammengerechnet, GraphMcKinsey Global Institute „Bridging Global Infrastructure Gaps“, June 2016

Eine durchführbare Form von „fiscal QE“ wäre ein Prozess, wo die Zentralbanken sich mit politischen Entscheidungsträgern ausserhalb der gewöhnlichen Umgebung zusammentreffen, um Infrastrukturausgaben zu erleichtern.

Öffentliche Finanzinstitute könnten z.B. Anleihen ausgeben, um Projekte in schmerzlich mangelhaften Bereichen der Infrastruktur von wesentlicher Bedeutung zu finanzieren. Zentralbanken könnten diese Anleihen aufkaufen, und (abgesehen von default-Fällen) effektiv Stimulus fördern, ohne Staatsverschuldung zu vermehren.


Der Rückgang der Investitionen der öffentlichen Hand in den fortentwickelten Volkswirtschaften, Graph: McKinsey Global Institute „Bridging Global Infrastructure Gaps“, June 2016

Die Sache hat aber einen Haken: Die Strategie funktioniert nur, wenn dazu profitable Infrastrukturprojekte finanziert werden, wo die Anleihen nicht ausfallgefährdet sind.

McKinsey Global macht vor diesem Hintergrund in einem lesenswerten Bericht auf die „Unterinvestitionen in Infrastruktur“ in den grössten Volkswirtschaften aufmerksam. Die USA, Grossbritannien und Deutschland geben heute zu wenig Geld aus, um Grundbedürfnisse für die nächsten 15 Jahre zu erfüllen, so die Aussage der Analyse.

Um die Investitionslücke in Infrastruktur zu schliessen, braucht beispielsweise Deutschland Ausgaben in Höhe von rund 0,4% des BIP, d.h. rund 13,4 Mrd. EUR pro Jahr.

Die grössten Schwierigkeiten sehen die CS-Analysten allerdings in Europa. Die Begründung ist natürlich die Politik, die sich im Grunde genommen gegen Ausgaben aller Art stellt.

Interessant ist aber die Einschätzung der Analysten, dass Japan das einzige Land wäre, das eher eine „Helicopter Money“-Politik betreiben würde.








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