An den globalen Finanzmärkten passiert seit einer
gewissen Zeit etwas Ungewöhnliches. Während die Rendite der Staatsanleihen fallen,
steigen die Aktienpreise. Der S&P 500 Index ist beispielsweise allein in
den vergangenen fünf Monaten um 17% geklettert.
Und die Ertragskurve in den fortentwickelten
Volkswirtschaften verflacht sich weiter. Es gelingt sogar Unternehmen, Anleihen
mit Negativ-Rendite auszugeben. Siehe die Deutsche Bundesbahn.
Die Koexistenz von Niedrig-, ja sogar
Negativ-Renditen auf Staatsanleihen und Rekordhoch von Aktienkursen wirft Fragen
auf. Denn es ist schwer anzunehmen, dass es sich bei dem neuen Phänomen um eine
Flucht in Sicherheit im klassischen Sinne handelt, wie es sich nach und nach
herausstellt.
Was sagen aber die Aktienmärkte heute aus?
Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass es ein
Mythos ist, zu glauben, dass die Aktienpreise als Massstab für die gesamte
Wirtschaft gelten. Die Aktienpreise reflektieren Gewinne, nicht
gesamtwirtschaftliches Einkommen. Und der Zusammenhang zwischen den
Aktienkursen und der realen Investitionen ist ziemlich dürftig, wie Paul Krugman in seiner Kolumne am Freitag in NYTimes beschreibt.
Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10
Jahren Laufzeit ist vergangene Woche etwas angestiegen, Graph: FastFT
Der Erfolg der Wirtschaft lässt sich, einfach
formuliert, am Anstieg des Einkommens der Bevölkerung messen, so der am
Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) forschende
Wirtschaftsprofessor.
Die Aktien spiegeln nicht das Einkommen im
Allgemeinen wider, sondern nur einen Teil des Einkommens, der als Gewinn
auftaucht. Der Anteil der Gewinne am Volkseinkommen schwankt stark. Wir
beobachten zwar einen Profit-Boom, aber ohne einen vergleichbaren Boom in der
Wirtschaft, was einen schwachen Zusammenhang zwischen Gewinnen und Prosperität
nahelegt.
Wer Aktien kauft, kauft einen Anteil an künftigen
Gewinnen. Und das Ganze hängt davon ab, wie die alternativen Optionen sind, um
das Geld von heute in das Einkommen von morgen zu konvertieren. Heute sind
diese Optionen ziemlich schwach, während die Renditen der langfristigen
Staatsanleihen sehr niedrig, ja sogar zum Teil negativ sind.
Das heisst, dass
die Investoren heute bereit sind, viel für das künftige Einkommen zu zahlen,
wie Krugman weiter argumentiert. Deshalb sind die Aktienkurse heute hoch für
ein gegebenes Niveau des Gewinns.
Warum sind aber die Renditen am langen Ende der
Ertragskurve so niedrig? Weil die Investitionsausgaben so niedrig sind, trotz
der sehr niedrigen Zinsen. Und das deutet darauf hin, dass die Zinsen noch
lange Zeit niedrig bleiben.
Ist es ein Widerspruch? Wie können die Gewinne so
hoch ausfallen, wenn der private Sektor kaum Investitionsmöglichkeiten erkennen
kann? Krugmans Antwort lautet Monopol-Macht.
Unternehmen sitzen auf verfügbaren Cash-Beständen
im Wert von 1'900 Mrd. USD, Graph: FT
Apple, Google und Microsoft, die grössten
US-Unternehmen investieren heute kaum in ein konventionelles Geschäft. Und sie
sitzen auf einem Cash-Berg.
Das ist kein gutes Zeichen für einen gesunden
Verlauf der Wirtschaft.
US-Unternehmen horten Bargeld, Graph: FT, May 2016
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