Jahrzehntelang waren nichtfinanzielle
Kapitalgesellschaften in den USA Netto-Kreditnehmer im Finanzsektor. Wenn sie
mehr Mitarbeiter einstellen, oder Investitionen erhöhen oder ein anderes
Unternehmen erwerben wollten, haben sie auf die Ersparnisse der privaten
Haushalte zurückgegriffen. Das heisst, dass sie Kredit aufzunehmen pflegten.
Seit 2000 hat sich jedoch der amerikanische
Unternehmenssektor von einem Kreditnehmer (aus dem Rest der Wirtschaft) zu
einem Netto-Sparer gewandelt. Diese dramatische Transformation wird manchmal
als „corporate savings glut“ genannt,
schreibt Nick Bunker in einem
lesenswerten Artikel („The corporate
savings glut“).
US-Unternehmen sitzen auf verfügbaren
Cash-Beständen im Wert von rund 1'900 Mrd. USD. Apple, Google, Microsoft usw.
haben enorm viel Geld auf die hohen Kante gelegt.
Die Frage ist, warum? Bunker zitiert dazu eine
Reihe von aktuellen Analysen. Eine Interpretation ist, dass Unternehmen aus
Vorsichtsgründen hohe Cash-Positionen anhäufen, um bereit zu sein, auf die
nächste grosse Idee zu springen.
Es gibt aber Beweise dafür, dass genau das
Gegenteil passiert. Man denke an die andere Seite der steigenden
Netto-Einsparungen: Ein Rückgang des Investitionswachstums. Der Anteil der
Investitionen am BIP ist seit der Jahrhundertwende in den Industrieländern
zurückgegangen. Je mehr Cash Unternehmen auf die Seite legen, desto weniger
kurbeln sie Investitionen an.
US-Unternehmen sitzen auf Cash im Wert von rund
1'900 Mrd. US-Dollar, Graph: Morgan
Stanley
Warum fahren aber Unternehmen Investitionen
zurück? Eine Ansicht meint, dass Unternehmen risikoscheu geworden sind. Der
gigantische Bargeld-Berg entstehe, weil Unternehmen ihre Bücher bereinigen wollen,
um sich gegen einen eventuellen Schock zu schützen.
Die Evidenz spricht aber dagegen: Unternehmen
erhöhen seit einigen Jahren Dividenden und kaufen immer mehr eigene Aktien am
Markt zurück.
Sind Unternehmen aber in Bezug auf die Zukunft
pessimistisch eingestellt, wie manche Marktbeobachter behaupten? Wenn dem so
wäre, würden sie Gewinnauszahlungen abbauen anstatt auszuschütten. Das ist auch
nicht der Fall. Die Dividenden-Auszahlungen werden erhöht.
Eine dritte Erzählung, die nicht unbedingt mit
den oben erwähnten zwei Aspekten in Konflikt steht, ist, dass die zunehmende
Konzentration der Industrie zu Oligopolen
führt, wo die Unternehmen relativ hohe Gewinne erzielen können. Unternehmen
erhöhen aber nicht nur die Ausschüttungen an die Aktionäre, sondern sie setzen
viel mehr Geld ein, um Fusionen und Übernahmen (M & A) zu realisieren. Die
„M&A“-Aktivitäten sind heute 40% höher als das Vorkrisenniveau von 2007.
Ersparnisse-Schwemme im Unternehmenssektor ist
möglicherweise kein positives Zeichen für die Zukunft der Wirtschaft. Vielmehr
deutet es auf einen Rückgang des potenziellen Wirtschaftswachstums hin,
einschliesslich von Fehlallokationen im Finanzsektor und dem Aufstieg der
Markt-Macht von einigen Unternehmen, hält Bunker als Fazit fest.
Ein wichtiger Schluss, den der Autor nicht
anspricht, ist jedoch, dass es angesichts des anhaltenden Hangs des
Privatsektors (Haushalte und Unternehmen) zu sparen, angebracht wäre, wenn der
öffentliche Sektor das Zepter in die Hand nimmt und Investitionen tätig, z.B.
in die Infrastruktur, Bildung, Umwelt, alternative Energien usw.
Es ist absurd, wenn die Politiker, während die
privaten Haushalte sich mit dem Konsum zurückhalten und Unternehmen nicht
investieren, auch die öffentliche Hand zum Sparen (fiscal austerity) zwingen. Wenn alle versuchen, weniger auszugeben,
als sie einnehmen, woher soll das Wachstum kommen? Wie sollen neue
Arbeitsplätze entstehen? Die Staatsschulden sind im Euroraum im Verhältnis zur
Wirtschaftsleistung trotz der Austeritätspolitik gestiegen, weil die
Gürter-enger-schnallen-Politik (Haushaltskonsolidierung, Schwarze-Null) die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage abwürgt.
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