Freitag, 18. Mai 2012

Die Zeit ist für den Euro abgelaufen


Es wurde plötzlich leicht, zu sehen, wie der Euro (das grosse fehlerhafte Experiment in einer Währungsunion ohne politische Union) aus den Fugen geraten kann, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Apocalypse Fairly Soon“) am Freitag in NY Times.

Dinge könnten mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit auseinanderfallen, in einer Angelegenheit von Monaten, nicht von Jahren. Und die Kosten, sowohl ökonomisch als auch, wohl wichtiger, politisch, könnten riesig sein.

Das muss nicht sein. Der Euro oder zumindest der grösste Teil davon könnte noch gerettet werden. Aber es erfordert, dass die EU-Politiker, insbesondere in Deutschland und bei der EZB beginnen, zu handeln, und zwar anders als in den letzten paar Jahren. Sie müssen damit aufhöhren, eine Moralfabel zu erzählen und der Realität ins Auge sehen und sie müssen mit Hinhalte-Taktik aufhören und für einmal der Zeit vorausgehen, legt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) dar.

Was bisher geschah: Als der Euro eingeführt wurde, gab es eine grosse Welle des Optimismus in Europa. Und wie es sich herausstellte, war es das Schlimmste, was hätte passieren können. Geld strömte nach Spanien und in die anderen Länder, wo die jeweiligen Staatsanleihen als sichere Anlage angesehen wurden. Die Kapitalflut hat riesige Immobilienblasen und riesige Defizite in der Handelsbilanz entstehen lassen. Dann versiegte der Kapitalstrom mit der Finanzkrise von 2008, was zu schweren konjunkturellen Einbrüchen in den Ländern, die bisher boomten, geführt hat.

Europas Antwort war Sparpolitik: heftige Ausgabenkürzungen, um die Anleihemärkte zu beruhigen. Doch wie jeder vernünftige Ökonom hätte sagen können, vertieften die Kürzungen die Depression in den angeschlagenen Volkswirtschaften Europas, was das Vertrauen der Investoren weiter untergraben und zu einer wachsenden politischen Instabilität geführt hat, erläutert der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Und dann kommt der Moment der Wahrheit.

Griechenland steht für den Moment im Mittelpunkt. Griechenland kann aber die Politik, die von Deutschland und der EZB gefordert werden, nicht umsetzen. Was jetzt? Was Griechenland gegenwärtig erlebt, ist, eine Art Bank Run in Zeitlupe (d.h.  „bank jog“): immer mehr Anleger heben in Erwartung eines möglichen Euro-Austritts Griechenlands Gelder ab. Die EZB finanziert den Bank-Run durch die Kreditvergabe an griechische Banken. Wenn die EZB entscheidet, keine Kredite mehr zu vergeben, dann wird Griechenland gezwungen sein, den Euro aufzugeben und eine eigene Währung einzuführen, erklärt Krugman.

Dann käme es zu einem Ansturm auf die Banken in Spanien und Italien. Die EZB müsste noch einmal entscheiden, ob sie mit unbestimmtem Ende die Banken finanziert oder nicht. Ein Nein würde bedeuten, dass der Euro als Ganzes in die Luft fliegt.

Doch die Refinanzierung allein reicht nicht aus. Italien, und insbesondere Spanien müssen in einem Umfeld der Wirtschaft mit einer gewissen hinreichenden Aussicht darauf, aus der Austerität und der Depression zu kommen, Hoffnung gegeben werden. Die einzige Möglichkeit dafür ist, dass die EZB sich von der Besessenheit von Inflation verabschiedet und für ein paar Jahre eine Inflation von 3 bis 4% in Europa (und mehr als in Deutschland) akzeptiert.

Sowohl die Zentralbanker als auch die Deutschen verabscheuen jedoch die Idee. Aber es ist die einzige vernünftige Art und Weise, den Euro zu retten, hält Krugman fest. Seit zwei- und einhalb Jahren machen die EU-Politiker in Bezug auf die Krise halbe Sachen. Doch sie haben von dieser Zeit keinen Gebrauch gemacht. Jetzt ist die Zeit abgelaufen.

Das Scheitern des Euro würde eine enorme Niederlage für das breitere europäische Projekt bedeuten, für den Versuch nämlich, Frieden, Wohlstand und Demokratie in einen Kontinent mit einer schrecklichen Geschichte zu bringen, fasst Krugman als Fazit zusammen. 

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