Dienstag, 15. Mai 2012

Die deutsche Wirtschaftsleistung und Sparpolitik


Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist in Deutschland im ersten Quartal 2012 um 0,5% zum Vorquartal gestiegen. Die deutsche Wirtschaft ist damit an einer Rezession vorbei geschrammt.

Während die grösste Volkswirtschaft Europas das Wachstum dem gut laufenden Exportgeschäft verdankt, halten die Turbulenzen in der Euro-Zone an. Rund 40% der deutschen Ausfuhren gehen in die Euro-Zone.

Wie in der zweiten Abbildung zu sehen ist, schrumpft die Wirtschaftsleistung am Rande der EU, wo die Staaten strikt einem rigorosen Sparkurs folgen. Die Vorgabe aus Berlin lautet dennoch weiterhin „Sparen, Sparen, noch mehr Sparen“.


Deutschland BIP I. Q. 2012, Graph: Reuters via FT Alphaville



Eurozone BIP seit 2008, Graph: Reuters via FT Alphaville

Die Wirtschaft schrumpft an der Peripherie der Eurozone, weil wegen der drakonischen Sparmassnahmen die Steuereinnahmen sinken. Das hat mit Sparparadoxon (paradox of thrift) zu tun.

Wenn die privaten Haushalte sparen und die Unternehmen nicht investieren, führt das Ergebnis von Einzelentscheidungen auf makroökonomischer Ebene dazu, dass die gesamte Volkswirtschaft gebremst wird. Wenn auch die öffentliche Hand die Ausgaben kürzt, stehen alle am Schluss schlechter da als zuvor.

Warum redet man aber von einem „Paradoxon“? Weil Sparen für eine Familie in schlechten Zeiten gut sein kann. Wenn aber alle Haushalte gleichzeitig sparen, indem sie auf Konsum verzichten, vermindern sie die Einnahmen von Unternehmen. Es kommt zu Entlassungen.

Wenn also die privaten Haushalte die Konsumausgaben kürzen und die private Wirtschaft die Investitionsausgaben zurückfährt, kommt es am Schluss zu einem Rückgang des realen BIP. Und wenn auch der Staat mitten in einer Rezession die Ausgaben reduziert, stehen Verbraucher und Unternehmen am Ende schlechter da, als wenn sie die Ausgaben nicht verringert hätten.

Warum beharren aber Angela Merkel und Wolfgang Schäuble trotz der offensichtlichen Beweise, dass die Austerität viel menschliches Leid auslöst, auf die Fortsetzung der Sparmassnahmen in einer bereits angeschlagenen Wirtschaft? Ist es Keynesphobia? Oder ist es das politische Umfeld, wo der Einfluss der Wohlhabenden (der sog. Top 1%) auf die Gestaltung der Politik (Kürzung von Sozialleistungen, Abbau von Progressivität von Besteuerung, Rückgang der öffentlichen Leistungen im Bildungswesen usw.) nach und nach zunimmt?

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