Die Inflationserwartungen im Euro-Raum sind
zuletzt etwas gestiegen. Gemessen an Forward Inflation Swap-Sätzen für 5 Jahre
in 5 Jahren (5y5y forward inflation-swap
rates) sind sie gestern auf 1,42% geklettert.
Das ist bemerkenswert, da Mario Draghi vor acht Tagen
gesagt hat, dass die Inflation in nächster Zeit ins Negative fallen könnte,
bevor das inzwischen ausgeweitete Anleihekaufprogramm zur Entfaltung kommt.
Interessant ist natürlich, zu beobachten, dass
die langfristigen Inflationserwartungen immer noch um mehr als 0,5% unter der Zielinflationsrate der EZB verweilen. Und sie liegen nicht weit von dem rekordtiefen
Wert von 1,361%, der am 29. Februar verbucht wurde.
Auch in Deutschland betragen die
Inflationserwartungen gemessen an sog. Breakeven-Sätzen mit rund 1% deutlich
unterhalb des EZB-Zielwertes.
Ein weiterer Aspekt ist, dass die Rendite der Staatsanleihen,
die sicher, liquid und hochwertig gelten, auf beiden Seiten des Atlantiks auf
historisch tiefen Niveaus gehandelt werden.
Das deutet auf eine Knappheit (scarcity) hin: Die Nachfrage nach
Staatspapieren ist wesentlich grösser als das Angebot. Das Angebot ist knapp,
weil die Regierungen sich mit Anleihe-Ausgaben zurückhalten. Warum? Weil sie
trotz der Gefahr von Stagnation und Deflation am Sparkurs festhalten. Das gilt
v.a. für die Eurozone.
Inflationserwartungen im Euro-Raum (gemessen an
Forward Inflation Swap-Sätzen für 5 Jahre in 5 Jahren), Graph: Bloomberg
Der restriktive Kurs der Staaten, trotz der
historisch niedrigen Kreditkosten, weniger Anleihen zu emittieren, hält die
Erholung der Wirtschaft zurück, schreibt Narayana
Kocherlakota in seiner lesenswerten Kolumne in Bloomberg View.
Die US-Regierung leistet laut dem ehemaligen
Fed-Präsidenten von Minneapolis der US-Wirtschaft damit einen Bärendienst,
dadurch, dass sie weniger US-Treasury Bonds ausgibt.
Die Vereinigten Staaten
von Amerika verursachen mit dem Verzicht auf die Ausgabe von
Schuldverschreibungen, einen grossen Schaden, was die Einnahmen der
öffentlichen Hand betrifft, die ohne Mühe hätten gesteigert werden können.
Inflation im Euro-Raum, Graph: ECB
Die sicheren Staatspapiere sind von Investoren
weltweit sehr gefragt, insbesondere seit dem Ausbruch der Finanzkrise. Die
extrem niedrigen Renditen legen nahe, dass der Bedarf nach sichern
Finanzanlagen verzweifelt hoch ist.
Die Knappheit betrifft aber nicht nur das
Angebot, erläutert Kocherlakota weiter. Im Zuge der Finanzkrise verlangen
private Haushalte und Unternehmen immer mehr sichere Anlagen, um sich vor
weiteren konjunkturellen Einbrüchen zu schützen.
Genauso fordern auch die Regulierungsbehörden von
den Banken, mehr sichere Anlagen in den Büchern zu halten. Und die Marktpreise
sagen, dass der Staat mehr sichere Papiere anbieten muss, um die Nachfrage zu
decken.
Die Regierungen (v.a. diejenigen mit Spielraum im
fiskalpolitischen Sinn) könnten die Einnahmen aus der Ausgabe von
Staatsanleihen (zu historisch günstigen Konditionen) für Investitionen z.B. in
die Infrastruktur, Bildung und Umweltschutz einsetzen.
Fazit: Nicht die Notenbanken
stehlen die Sparbuch-Zinsen der Bürger („Enteignung der Sparer“), sondern die
Regierungen mit der Besessenheit von Haushaltskonsolidierung im schwer
angeschlagenen Umfeld der Volkswirtschaft, die eine „Schwarze Null“-Politik auf
ihre Fahnen schreiben und damit das Wachstum einschränken, womit auch die
Zinsen weiter nach unten gedrückt werden.
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