Der Ölpreis hat sich seit Jahresbeginn deutlich
erholt. Nach jüngsten Spekulationen, wonach Russland sich mit Saudi-Arabien auf
eine Senkung der Ölproduktion geeinigt hätte, kam es in den vergangenen Tagen zu
einem wesentlichen Preisauftrieb. Die Inflationserwartungen sind aber nicht
gestiegen, wie in der folgenden Abbildung zu sehen ist.
Billiges Öl hätte eigentlich das
Wirtschaftswachstum fördern sollen. Das ist aber nicht passiert. Warum?
Wegen der Null-Untergrenze (zero lower bound), sagt Maury
Obstfeld, der neue IWF-Chefökonom. Der Rückgang des Ölpreises führt zu
einem Rückgang der Inflationserwartungen, weil die Zinsen nicht weiter fallen
können. Realzinsen hingegen steigen und lasten damit auf der Wirtschaft,
erklärt der Wirtschaftsprofessor von der University
of California, Berkeley.
Matt
O’Brien teilt aber die Ansicht nicht. Wie er im Wonkblog von WaPo bemerkt, hat Japan Null-Zinsen
viel länger als jedes andere Land auf der Welt. Da es Öl importiert, ist die
Erwartungshaltung die einzige Möglichkeit, dass teureres Öl helfen könnte. Das
ist aber nicht der Fall.
Warum? Weil Ölschocks die Beschäftigung,
Industrieproduktion und die Verbraucherausgaben vielmehr beeinträchtigen als
sonst, wenn die Zinsen nahe null liegen. Mit anderen Worten sind höhere
Ölpreise laut O’Brien immer kontraktiv. Und sie sind bei Null-Untergrenze am meisten
kontraktiv.
Ölpreisanstieg versus Inflationserwartungen, Graph: Morgan Stanley
Auch Paul
Krugman betrachtet Obstfeld These skeptisch. Der am Graduierten Zentrum der
City University New York (CUNY)
forschende Wirtschaftsprofessor vertritt zwar in seinem Blog bei NYTimes die Meinung, dass wir angesichts
der Tatsache, dass die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, über unsere
üblichen Annahmen nachdenken sollten. Aber er legt dar, dass die fallenden
Ölpreise die Inflationsrate von Nicht-Öl-Produkten und Dienstleistungen in erster
Linie nicht tangieren würden.
Selbst wenn man die Markterwartungen zugrunde
legt, ist festzustellen, dass die Realzinsen (trotz der fallenden Ölpreise)
gesunken sind. Wie ist es angesichts der Null-Zinsuntergrenze (zero lower bound) möglich? Das hat alles
mit Zinsstrukturkurve (term structure)
zu tun, erläutert Krugman.
Die Zinsen am langen Ende der Ertragskurve (yield curve) sind nicht null. Und die
langfristigen Zinsen sind während des jüngsten Öl-Crashs genug tief gefallen, um
den Rückgang in den Inflationserwartungen auszugleichen.
Die Ölpreis-Enttäuschung rührt laut Krugman aus zwei Fakten
her: Öl ist jetzt ein grosser Investition-Antreiber, via
Schiefer, und den Ölexporteuren mangelt es in diesen Tagen an Cash: Und sie haben v.a. eine „höhere“ Grenzneigung zu sparen.
Es ist keine Frage, dass die niedrigen Ölpreise
ein grosser Glücksfall für die Verbraucher sind, schreibt James Hamilton in seinem Blog.
Heute geben die Amerikaner 180 Mrd. USD weniger
im Jahr für die Energie Waren und Dienstleistungen aus als im Jahr 2014, was etwa
1% des BIP entspricht. Der Anteil der Ausgaben an Energie hat vor einem Jahr
rund 5,4% der Konsumausgaben ausgemacht. Heute beläuft sich die Quote auf 3,7%.
Aber wir sehen nicht viele Beweise dafür, dass
die Verbraucher diese Gewinne für andere Waren oder Dienstleistungen ausgeben, erklärt
der an der University of California, San Diego
lehrende Wirtschaftsprofessor gestützt auf ein von Paul Edelstein und Lutz
Killian entwickeltes Modell.
Auch eine Studie, die von JP Morgan Chase
erstellt wurde, legt nahe, dass die Konsumenten den grössten Teil des
Geldregens (durch billiges Öl) nicht für andere Gegenstände ausgeben.
Eine Unterscheidung zwischen Mikro und Makro
zeigt keinen signifikanten Anstieg der Ausgaben insgesamt, sodass angenommen
werden kann, dass andere Faktoren im Spiel sind, wie z.B. das träge Einkommenswachstum
und vorsorgliche Sparneigung, so Hamilton.
Er spricht damit die Last (verursacht durch die
niedrigeren Ölpreise) auf dem Einkommen von Ölproduzenten an: Der Rückgang der
Investitionen ist leicht an den BIP-Daten zu lesen. Die Ausgaben für die Förderung,
Exploration, Wellen und Räder sind Ende 2015 im Vergleich zu dem dritten und
dem vierten Quartal 2014 um 65 Mrd. USD zurückgegangen, was einem halben
Prozent BIP entspricht.
Auch wenn die Mehrausgaben der Verbraucher genau
der Menge der reduzierten Ausgaben der Hersteller entspricht, kommt es zu einem
Netto BIP-Rückgang.
Der Grund ist, dass es, wenn jemand z.B. in New
York einmal mehr in der Woche ausgeht und ein Restaurant besucht, einem anderen,
der Sand für die Frackers in Texas verkauft, nicht hilft. Unternehmen, die
diejenigen, die in der Ölproduktion arbeiten, mit Produkten beliefern, erleben einen
Nachfrage-Rückgang und sehen sich u.U. gezwungen, Mitarbeiter zu feuern.
Aufgrund der Entlassungen fallen die Netto Verluste in Texas höher aus als die
Gewinne in New York.
Hamilton hat bereits im Jahr 1988 in einer
Forschungsanalyse gezeigt, dass der Rückgang des Ölpreises in einem Land, das
sein eigenes Öl herstellt, zu einer höheren Arbeitslosigkeit als sonst führt,
weil es eine Weile dauert, bis die Menschen, die in den öl-herstellenden
Regionen arbeiten, in andere Regionen umziehen, um eine neue Stelle zu suchen.
In diesem Sinne hat Heiner Flassbeck in seinem Blog vor rund eineinhalb Jahren
festgehalten, dass billiges Öl kein Konjunkturprogramm für die Welt bedeuten
kann.
„Der entscheidende Unterschied zu einem „echten“
Konjunkturprogramm ist, dass bei einem echten Konjunkturprogramm die Nachfrage
nach Kapital am Kapitalmarkt der Auslöser für eine konjunkturelle Wende ist und
nicht die Umverteilung von Einkommen.“
Die entscheidende Frage für die Konjunktur ist,
wie die Produzenten und Konsumenten von Öl jeweils auf die Einkommensentwicklung
mit ihrer Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen reagieren, erläutert
Flassbeck weiter.
Und heute widerlegt der ehemalige Chef-Ökonom von
UNCTAD in Genf einen wunderlichen Artikel in der NZZ überzeugend, dass es nicht
reicht, zur Konjunkturbelebung auf ein Sinken des Ölpreises zu setzen.
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