Der offene politische Vorwurf aus Deutschland gegen
die gegenwärtige Geldpolitik der EZB hat in den vergangenen Tagen deutlich
zugenommen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble beschuldigt Mario
Draghi, ohne mit der Wimper zu zucken, die Sparbuch-Zinsen zu stehlen.
Doch wurde in den letzten Tagen auch die Kritik
an der von Brüssel und Berlin für die Eurozone verordneten Wirtschaftspolitik
lautstark.
Wenn Deutschland den Einsatz von Fiscal Stimulus zulassen würde, würde
sich die Wirkungskraft der EZB-Anleihekäufe verbessern und die Effektivität der
geldpolitischen Massnahmen, um die Rezession in der Eurozone zu bekämpfen,
steigen, schreibt George L. Perry im
Brookings Blog.
Seiner Meinung nach gibt es keinen Zweifel daran,
dass die Eurozone eine expansive Fiskalpolitik braucht.
Auch Hans-Helmut
Kotz beschreibt in diesem Sinne in einem lesenswerten Artikel („Mario Draghi and Germany’s Fiscal Fetish“)
in Project Syndicate die Obsessison
der „Schwarzen Null“-Politik als kostenträchtig.
Europas Wirtschaftsleistung ist heute immer noch tiefer
als sie vor 2008 war, Graph: Morgan
Stanley
Die deutsche fiskalpolitische Knauserigkeit zieht
negative Ausstrahleffekte (spill-over
effects) nach sich. In einer Währungsunion, die per Definition keinen
Wechselkurs kennt, um nationale Besonderheiten auszugleichen, werden diese
Effekte noch verstärkt, so der an der Harvard
University forschende Wirtschaftsprofessor.
Eine deutlich konstruktivere Strategie wäre es,
wenn die Regierungen mit durchhaltbaren Haushalten die Spielräume nutzen würden,
um die Währungsunion wieder auf Kurs zu bringen. Kotz hebt dabei insbesondere Deutschland
hervor.
Die Lohnzurückhaltung in Deutschland ist ein
wesentlicher Grund für den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in Südeuropa,
bemerkt Andreas
Nölke in einem kritischen Beitrag („Long-term
causes of the Eurozone crisis“) im OUP Blog.
Da die Mitgliedsländer die Gemeinschaftswährung
nicht abwerten können, werden sie zu internal devaluation gezwungen, was in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft das
Wachstum beeinträchtigt und die Nachfrage noch mehr drückt.
Eine Lösung wäre laut Nölke ein Jahrzehnt lang
überproportionale Lohnerhöhungen in Deutschland, die aber aus Sicht der
deutschen Politik und der Unternehmen zutiefst unpopulär ist. Eine Lösung würde
auch einen Schuldenerlass einschliessen; die gesamteuropäische Solidarität ist
allerdings zu begrenzt für diese Art von Massnahmen, betont Nölke weiter.
OIS; overnight Swap USD vs. EUR, Graph: Morgan Stanley
„Ich sehe schon ein, dass Negativzinsen für viele
Menschen psychologisch schwer zu fassen sind“, sagt Ewald Nowotny in einem Interview mit dem Der Standard.
Österreichs Nationalbankchef hat aber kein
Verständnis für Schäubles selbstgefällige Bemerkungen über Draghi. Und er bekräftigt
mit Nachdruck die Unabhängigkeit der EZB als ein hohes Gut. Der Gouverneur der
Österreichischen Nationalbank redet sogar von einem „ganz einzigartigen
Zusammenhang“ mit Bezug auf Schäubles Kritik („Enteignung der Sparer“).
Wenn die Konjunktur anzieht und es der Wirtschaft
besser geht und die Inflation höher ist, werden die Zinsen steigen, so Nowotny
sachdienlich.
Fazit: Wenn Sie die EZB kritisieren und zugleich Fiscal Stimulus in Deutschland und an
der Eurozone-Peripherie ablehnen, dann rutscht die Wirtschaft in eine double dip Rezession, Deflation und
Depression, wie Nouriel Roubini in
einem aktuellen Interview mit FuW aus Zürich erläutert.
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