Die harsche Kritik gegen die EZB und die von
Mario Draghi verfolgte Geldpolitik hat in der deutschen Politik in den
vergangenen Tagen drastisch zugenommen. Heiner
Flassbeck redet in seinem Blog treffend von blindwütigen Angriffen auf
die Zinspolitik.
Wie Martin
Wolf neulich in seiner Kolumne in FT dargelegt hat, sind die Negativzinsen aber
nicht die Schuld der Zentralbanken.
Und warum die Niedrigzinsen ein Symptom, und
nicht die Ursache in dieser Angelegenheit sind, erklärt Brad de Long in seinem Blog noch einmal aus makroökonomischer
Sicht.
Wenn die Zinsen niedrig sind und die Inflation
nicht steigt, ist es nicht so, weil die Geldpolitik zu locker ist, sondern weil
der neutrale Zins (r*) niedrig ist. Und der neutrale Zins kann niedrig sein,
wenn
Verbraucher sich mit Ausgaben zurückhalten (C ist niedrig),
Animal Spirits der Anleger angeschlagen ist (I ist niedrig),
Nachfrage des Auslands nach unseren Exporten schwach ist (NX ist niedrig) und
die Fiskalpolitik zu kontraktiv ist (G ist niedrig)
(für alle vier Aspekte gilt es: im Verhältnis zum
Potentialwachstum Y* der Wirtschaft)
Leitzinsen der Zentralbanken, Graph: FT
Die Aufgabe der Zentralbanken auf lange Sicht
ist, zu versuchen, die Psychologie zu stabilisieren und die Schwankungen in r*
zu reduzieren, erläutert der an der University
of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor.
Zur Erinnerung: Im Zuge der Finanzkrise von 2008 sind die Preise
von Vermögenswerten zusammengebrochen. Die Ausgaben sind kollabiert und die
Arbeitslosigkeit ist gestiegen.
Die Zentralbanken haben mit Zinssenkungen darauf
reagiert, um Vermögenswerte zu stützen. Es ging der Plutokratie folglich wieder
besser. Aber es wurde nicht genug getan, um die Situation der Arbeiterklasse zu
verbessern.
Staatsanleihen mit Negativ-Rendite
(Länder-Vergleich), Graph: WSJ
Aber die Plutokratie hat sich trotz der
Verbesserung ihrer Vermögenswerte und der Wiederherstellung ihres Reichtums beschwert,
weil die Erträge auf ihr Vermögen niedrig ausgefallen sind.
So wurde
aufgefordert, die Gürtel enger zu schnallen (austerity). Die Idee dahinter war, dass die öffentliche Hand durch
die Senkung der Ausgaben über mehr Spielraum verfügen würde, die Steuern für
die Reichen zu senken. Es sollte also ein harscher Sparkurs eingeschlagen
werden, um das Einkommen der Plutokratie (noch mehr) zu verbessern.
Die Senkung der Staatsausgaben hat natürlich weiter
zur Verarmung der Arbeitnehmer geführt und noch mehr Druck auf den
neutralen Zinssatz (Wichsellian neutral
interest rate), der mit Vollbeschäftigung und Potentialwachstum im Einklang
steht, ausgeübt.
Und hier sitzen wir heute.
Abweichung der Inflation vom Zielwert, Graph: Morgan Stanley
Die meisten Länder befinden sich derzeit im
Sektor (Inflation steigt zwar, aber sie ist immer noch unter dem Zielwert der
Zentralbanken)
PS:
Neutraler Zins (neutral rate) = Gleichgewichtszins (equlibrium real rate) = Wichsellscher Zins (Wichsellian rate) = der natürliche Zins (natural rate).
C: Verbrauch
G: Staatsausgaben
I: Investitionen
NX: Aussenhandel (Exporte minus Importe)
r: Zinssatz
r*: der neutrale Zinssatz
Y: das reale BIP
Y*: das potentielle BIP (Potentialwachstum)
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