Die Debatte über die Zinspolitik der EZB setzt
sich in den deutschen Medien ungestüm fort. Eine Aussage, die immer weiter in
den Mittelpunkt rückt, ist, dass Deutschlands Sparer durch Mario Draghi, den
EZB-Präsidenten enteignet werden.
Schliesslich ist die Notenbank für die Zinsen,
zumindest am kurzen Ende, verantwortlich. Warum die Zinsen aber so niedrig,
wird im Wesentlichen selten erforscht.
Präsentiert wird ständig eine horrende Summe,
wie viel Zinseinnahmen den Bürgern entgehen. Dass auch die Soll-Zinsen gesunken
sind, findet kaum eine Erwähnung.
Doch fordert Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble neuerdings lautstark höhere Zinsen von der EZB.
Die nominalen Zinsen
liegen aber nahe Null-Zinsgrenze (zero
lower bound), weil es an Nachfrage mangelt und die Inflation nicht steigt, weil
die Löhne stagnieren. Das grösste technische Problem ist eine
Besessenheit mit der unangemessenen Haushaltskonsolidierung (austerity), schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog.
Die EZB wird in der Eurozone gezwungen, die
Zinsen bis in den Negativ-Bereich zu senken, um die Auswirkungen der
Austeritätspolitik abzuwehren. Und der Mann, der für diese Besessenheit
verantwortlich ist, ist Wolfgang Schäuble, argumentiert der an der Oxford University lehrende
Wirtschaftsprofessor aus London.
Negativ-Zinsen in der Eurozone, Graph: Bloomberg
Worüber wir uns unterhalten sollen, ist, warum
die Regierungen die öffentlichen Investitionen nicht erhöhen. In
Deutschland und Grossbritannien beispielsweise scheint Erhöhung der Investitionen im öffentlichen Sektor ausser
Frage.
Barry
Eichengreen meint dazu in einem lesenswerten Artikel in Project Syndicate, dass es die ordnungspolitische (ordoliberal) Betonung der persönlichen
Verantwortung ist, die eine vernunftlose Feindseligkeit gegen die Idee schafft,
dass Aktionen, die individuell verantwortlich sind, nicht automatisch für die
Gesamtheit wünschenswerte Ergebnisse liefern. Und das ist laut Eichengreen der
Ursprung der deutschen Allergie gegen die Makroökonomik.
Der an der University
of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor sagt m.a.W., dass das
einzelwirtschaftliche Denken (micro) für
die Gesamtheit (macro) falsch ist.
Das ist auch der Grund, warum die Schuldner in den deutschen Mainstream-Medien geflissentlich
zu Schuldigen erklärt werden.
Was sich in einem wirtschaftlichen Umfeld mit
nahezu Null-Realzinsen für langfristige Staatsanleihen und einer dringenden
Notwendigkeit für Investitionen in die Infrastruktur bietet, ist der starke
Grund, davon auszugehen, dass das deficits pending das langfristige fiskalische Bild verbessern würde, weil die die
Zinslast so niedrig wäre und das hohe Wirtschaftswachstum künftige Einnahmen
der öffentlichen Hand erhöhen würde.
Der Spielraum für die europäischen Regierungen,
mehr Geld für die Erforschung grüner Technologien auszugeben ist riesig, legt
Wren-Lewis dar. Doch in Grossbritannien hat die Regierung vor kurzem die
Ausgaben (F&E) für die erneuerbaren Energien gekürzt, obwohl der Bedarf dafür dringend ist.
Während der im Anschluss der Finanzkrise von 2008
erfolgten Great Recession wurden Millionen von Menschen in den USA arbeitslos.
Die Regierung hat ein Haushaltsdefizit auflaufen lassen, um die Wirtschaft
anzukurbeln. Die Erholung der Wirtschaft hat nun dazu beigetragen, dass die
Einnahmen der öffentlichen Hand gestiegen sind, womit auch ein Grund vorliegt,
die Ausgaben wieder zu zügeln.
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