Samstag, 11. Januar 2014

Büchse der Pandora der Austerität

Warum ist die wirtschaftliche Erholung gemessen an vergangenen Rezessionen so träge? Weshalb halten sich Unternehmen mit Investitionen zurück? Das sind Fragen, die im Nachspiel der Finanzkrise von 2008 in letzter Zeit wahrscheinlich am meisten gestellt werden.

Robert Rubin verfasst dazu für FT einen Artikel (“Sound government finances will promote recovery”) gänzlich nach dem Geschmack von Defizit-Falken:

„Die Erholung der US-Wirtschaft bleibt im historischen Vergleich langsam, auch wenn die jüngsten Daten auf eine Besserung hindeuten. Ein Grund dafür ist, dass die fiskalpolitische Entwicklung das Vertrauen der Unternehmen untergräbt und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindert, womit Unsicherheiten über die künftige Politik geschaffen werden und die Sorgen wachsen. Unternehmensführer nennen deshalb häufig die fiskalischen Aussichten, die abschreckend wirken, Mitarbeiter anzustellen und Investitionen zu tätigen.“  (*)

Weiter schreibt der ehemalige Finanzminister der USA unter Präsident Bill Clinton, dass die sich fortsetzende Debatte über „Wachstum und Beschäftigung“ versus „Haushaltsdisziplin“ das Augenmerk von einem ausgewogenen Ansatz ablenke. Das Konjunkturprogramm (stimulus) sei kein Ersatz für Haushaltsdisziplin (fiscal discipline).

Brad DeLong ist damit nicht einverstanden: Stimulus ist doch ein Ersatz für Haushaltsdisziplin, v.a., wenn eine Konjunkturflaute herrscht und die nominalenZinsen nahe Null-Grenze (zero lower bound) liegen.



Investitionen in Wohnanlagen (die blaue Kurve) und Investitionen in Fabriken (die rote Kurve), Graph: FRED, Fed St. Louis, via Paul Krugman


Woran der an der University of California Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor insbesondere Kritik übt, ist, dass Rubin zur Verteidigung von „confidence fairy“ (Vertrauen Fee) keine Zahlen nennt. DeLong liefert welche nach:

Wenn die US-Regierung eine inflationsgeschützte Staatsanleihen (TIPS) mit 30 Jahren Laufzeit ausgibt, beträgt die Verzinsung pro Jahr 1 Prozent. Wenn die Regierung im nächsten Jahr 100 Mrd. USD ausgibt, erhöht sie damit das reale BIP um 200 Mrd. USD. Und es würden zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von 67 Mrd. USD in die Staatskasse fliessen, für zusätzliche Verschuldung von 33 Mrd. USD und die Schuldenzinsen von 500 Mio. USD. Der zusätzliche jährliche Schuldendienst würde durch das höhere Produktionspotenzial und zusätzliches Steueraufkommen mehr als ausgeglichen.

Man kann Kosten und Nutzen ohne Bewertung und ohne Zahlen nicht vergleichen.

Phillip Swagel fackelt nicht lange und gibt eine Antwort auf DeLong via Twitter: Stimulus als Haushaltsdisziplin ist die linke Version der Aussage „Steuersenkungen zahlen sich selbst aus“. DeLong erwidert postwendend: „Totaler Schwachsinn. Wir haben Zahlen. Laffer hatte nie Zahlen“.

Bemerkenswert ist, dass die Debatte über „stimulus versus austerity“ auch fünf Jahre seit dem Ausbruch der Krise in aller Intensität anhält.

Auch Paul Krugman kann sich mit Rubins These nicht anfreunden. Bringen Unternehmer tatsächlich solche Sorgen zum Ausdruck? Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass die langfristigen Defizit-Ängste eine Belastung für die Wirtschaft darstellen, hält der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor fest.

Die Wahrheit ist, dass die Unternehmensinvestitionen angesichts der Schwäche der Gesamtwirtschaft nicht besonders niedrig sind. Warum sollen Unternehmen Kapazitäten erweitern, wenn sie nicht genug verkaufen können? Krugman verweist auf die Investitionen in Wohnanlagen und Investitionen in Fabriken im Verhältnis zum BIP.

Die US-Wirtschaft hat einen ausserordentlich, anhaltenden Einbruch der Investitionen in den Wohnungsbau erlitten. Der Rückgang der Unternehmensinvestitionen war für Rezessionen und Nachwirkungen gewöhnlich. Die Erholung ist laut Krugman mit Erholungen aus der Vergangenheit vergleichbar. Es gibt keine Sonderfaktoren, die das Verhalten der Geschäftswelt mit Defizit-Ängsten erklären würden.

Die Defizit-Falken berufen sich auch in Europa auf „confidence fairy“, wonach Staaten sparen müssen, unabhängig von Ursachen der Krisen. Aber Sparen fördert Investieren nicht. Ganz im Gegenteil.


(*) Meine freie Übersetzung aus dem Englischen.


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