Freitag, 9. September 2016

Ungleichgewichte und Überschüsse im Übermass


Deutschland hat in der ersten Hälfte des Jahres 2016 einen höheren Überschuss im Haushalt vorgelegt als erwartet: EUR18.5bn. Die grösste Volkswirtschaft Europas verbucht damit einen Überschuss in Höhe von 1,2% des BIP.

Deutschlands Sparsamkeit und die wirtschaftlichen Probleme Europas sind aber via Handel und Kapitalströme eng verbunden. Mit dem Übergang des deutschen Haushalts von Minus ins Plus ist auch der deutsche Leistungsbilanzüberschuss durch die Decke geschossen. Heute beträgt das entsprechende Verhältnis zum BIP rund 9% im Jahr.

Der Zusammenhang zwischen dem Haushalt und der Leistungsbilanz mag auf den ersten Blick nicht leicht erkennbar sein. Aber der IWF hat 2011 eine Reihe von Forschungsarbeit vorgestellt, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Haushaltskürzungen damit einhergehen, dass Investitionen fallen, Ersparnisse steigen und die Leistungsbilanz von Defizit in Richtung Überschuss wandert.

The Economist zitiert vor diesem Hintergrund das Paper von Ricardo Caballero, Emmanuel Farhi und Pierre-Olivier Gourinchas („On the global ZLB economy“).

Die Autoren unterstreichen, dass lockere Geldpolitik (monetary expansion) in einem Überschussland nahe Nullzins-Grenze (zero lower bound) das Risiko trägt, die Liquiditätsfalle ins Ausland zu „exportieren“ und damit andere Länder in die „eigene“ Liquiditätsfalle zu ziehen. Expansive Fiskalpolitik hingegen würde weltweit positive Übertragungseffekte (spillover) auslösen, wie Brad Setser in seinem Blog erläutert.



Deutschlands Haushalt und Leistungsbilanz: Überschuss im Übermass, Graph: The Economist


Eine Möglichkeit, um Ungleichgewichte im Euro-Raum abzubauen, ist, zuzulassen, dass die Preise in den Überschuss-Ländern wie z.B. in Deutschland steigen, (was bisher beispielsweise von Paul de Grauwe, Paul Krugman, Heiner Flassbeck usw., um nur ein paar Namen zu nennen, nahegelegt wird) oder in den Defizit-Ländern fallen.

Wir wissen aber, dass das Leverage zunimmt, wenn man die Löhne und Preise senkt, was ja „internal devaluation“ genannt wird. Das heisst, dass die reale Last der Schulden steigt, was fatale Auswirkungen auf die Wirtschaft entfaltet. Das ist auch der Grund dafür, weshalb Deflation (in diesem Fall auch debt-deflation) so schädlich in den Folgen betrachtet werden muss.

Joseph Stiglitz vertritt in einem aktuellen Gespräch mit Social Europe die Meinung, statt „internal devaluation“ eine Steuer für Überschuss-Länder zu verhängen. Die Einnahmen daraus können verwendet werden, um Defizit-Ländern, die in Schwierigkeiten stecken, zu helfen, um einen Solidaritätsfonds für die wirtschaftliche Stabilisierung zu finanzieren.

Der Ansatz umfasst auch die Errichtung einer gemeinsamen Einlagesicherung im Euro-Raum, damit das Geld nicht in die Überschuss-Länder strömt.








1 Kommentar:

Rob hat gesagt…

> Der Zusammenhang zwischen dem Haushalt und der Leistungsbilanz mag auf den ersten Blick nicht leicht erkennbar sein. Aber der IWF hat 2011 eine Reihe von Forschungsarbeit vorgestellt, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Haushaltskürzungen damit einhergehen, dass Investitionen fallen, Ersparnisse steigen und die Leistungsbilanz von Defizit in Richtung Überschuss wandert.

Lange ist's her, da hat Michal Kalecki etwa das Gleiche erkannt, ich denke da an seinem Aufsatz "Über Außenhandel und >Binnenexporte<" (1933), abgedruckt in Krise und Prosperität im Kapitalismus, Metropolis 1987.

Den Terminus "Binnenexporte" hat Kalicki sich ausgedacht, weil Haushaltsdefizite eine ähnliche Wirkung haben wie Exportüberschüsse.