Deutschland hat in der ersten Hälfte des Jahres
2016 einen höheren Überschuss im Haushalt vorgelegt als erwartet: EUR18.5bn. Die grösste Volkswirtschaft
Europas verbucht damit einen Überschuss in Höhe von 1,2% des BIP.
Deutschlands Sparsamkeit und die wirtschaftlichen
Probleme Europas sind aber via Handel und Kapitalströme eng verbunden. Mit dem
Übergang des deutschen Haushalts von Minus ins Plus ist auch der deutsche
Leistungsbilanzüberschuss durch die Decke geschossen. Heute beträgt das entsprechende
Verhältnis zum BIP rund 9% im Jahr.
Der Zusammenhang zwischen dem Haushalt und der Leistungsbilanz
mag auf den ersten Blick nicht leicht erkennbar sein. Aber der IWF hat 2011 eine Reihe von
Forschungsarbeit vorgestellt, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass
Haushaltskürzungen damit einhergehen, dass Investitionen fallen, Ersparnisse
steigen und die Leistungsbilanz von Defizit in Richtung Überschuss wandert.
The Economist zitiert vor diesem Hintergrund das Paper von Ricardo Caballero, Emmanuel Farhi und
Pierre-Olivier Gourinchas („On the global
ZLB economy“).
Die Autoren unterstreichen, dass lockere
Geldpolitik (monetary expansion) in
einem Überschussland nahe Nullzins-Grenze (zero
lower bound) das Risiko trägt, die Liquiditätsfalle ins Ausland zu „exportieren“
und damit andere Länder in die „eigene“ Liquiditätsfalle zu ziehen. Expansive
Fiskalpolitik hingegen würde weltweit positive Übertragungseffekte (spillover) auslösen, wie Brad Setser in seinem Blog erläutert.
Deutschlands Haushalt und Leistungsbilanz: Überschuss
im Übermass, Graph: The Economist
Eine Möglichkeit, um Ungleichgewichte im
Euro-Raum abzubauen, ist, zuzulassen, dass die Preise in den Überschuss-Ländern
wie z.B. in Deutschland steigen, (was bisher beispielsweise von Paul de Grauwe,
Paul Krugman, Heiner Flassbeck usw., um nur ein paar Namen zu nennen,
nahegelegt wird) oder in den Defizit-Ländern fallen.
Wir wissen aber, dass das Leverage zunimmt, wenn man die Löhne und Preise senkt, was ja „internal devaluation“ genannt wird. Das
heisst, dass die reale Last der Schulden steigt, was fatale Auswirkungen auf
die Wirtschaft entfaltet. Das ist auch der Grund dafür, weshalb Deflation (in
diesem Fall auch debt-deflation) so
schädlich in den Folgen betrachtet werden muss.
Joseph Stiglitz vertritt in einem aktuellen Gespräch mit Social Europe die Meinung, statt „internal devaluation“ eine
Steuer für Überschuss-Länder zu verhängen. Die Einnahmen daraus können
verwendet werden, um Defizit-Ländern, die in Schwierigkeiten stecken, zu
helfen, um einen Solidaritätsfonds für die wirtschaftliche Stabilisierung zu
finanzieren.
Der Ansatz umfasst auch die Errichtung einer
gemeinsamen Einlagesicherung im Euro-Raum, damit das Geld nicht in die
Überschuss-Länder strömt.
1 Kommentar:
> Der Zusammenhang zwischen dem Haushalt und der Leistungsbilanz mag auf den ersten Blick nicht leicht erkennbar sein. Aber der IWF hat 2011 eine Reihe von Forschungsarbeit vorgestellt, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass Haushaltskürzungen damit einhergehen, dass Investitionen fallen, Ersparnisse steigen und die Leistungsbilanz von Defizit in Richtung Überschuss wandert.
Lange ist's her, da hat Michal Kalecki etwa das Gleiche erkannt, ich denke da an seinem Aufsatz "Über Außenhandel und >Binnenexporte<" (1933), abgedruckt in Krise und Prosperität im Kapitalismus, Metropolis 1987.
Den Terminus "Binnenexporte" hat Kalicki sich ausgedacht, weil Haushaltsdefizite eine ähnliche Wirkung haben wie Exportüberschüsse.
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