Die Geldpolitik ist die einzige Möglichkeit („the only game in town“), sagt eine
Vielzahl der Mainstream-Ökonomen bei jeder Gelegenheit, wie es in den Medien
öfters zitiert wird.
Die Zentralbanken in den fortentwickelten
Volkswirtschaften haben seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 in der Tat
eine Reihe von unkonventionellen und unpopulären Massnahmen ergriffen, um die
Nachfrage zu stützen und die Wirtschaft anzukurbeln. Aussergewöhnliche Umstände
erfordern aussergewöhnliche Schritte.
Die auffälligsten Symptome der gegenwärtigen
Situation der Weltwirtschaft sind die Niedrigzinsen. Der seit rund 20
Jahren anhaltende Trend ist allerdings auf den Rückgang der realen Zinsen und der
Inflationserwartungen zurückzuführen. Das ist natürlich
zum wesentlichen Teil das Ergebnis der (deflationären) Geldpolitik.
Nun ist es nicht schwer, festzuhalten, dass die Geldpolitik
die Realzinsen über die lange Frist nicht bestimmen kann, auch wenn sie
kurzfristig die nominalen Zinsen festlegt.
Der starke Rückgang des geschätzten natürlichen Realzinses und die Analyse der dahinter liegenden Faktoren legen nahe, dass wir
wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum mit extrem niedrigen Zinsen zu
leben haben, schreibt Martin Wolf in
seiner Kolumne bei FT am Dienstag.
Der Verfall des geschätzten natürlichen
(neutralen) Zinssatzes im Vergleich, Graph:
Martin Wolf, FT
Der nächsten Rezession entgegenzuwirken, scheint
daher die wichtigste geldpolitische Herausforderung, der die Fed heute
gegenübersteht, wie Larry Summers
neulich in seinem Blog kommentiert hat.
Die Determinanten des säkularen Rückgangs des
natürlichen (neutral) Realzinses tangieren die Nachfrage und das Angebot nach Geldmitteln,
Graph: Martin Wolf, FT
Die bemerkenswert niedrigen Realzinsen von heute deuten
darauf hin, dass die öffentlichen Investitionen noch nie so günstig waren,
argumentiert Wolf weiter:
Die öffentlichen Investitionen bedeuten historisch
gesehen öfters ein Katalysator für die privaten Investitionen. Das heisst, dass die
Zentralbanken nicht die einzige Möglichkeit bleiben müssen. Es ist also höchste Zeit
für die Fiskalpolitik, so Wolf.
Das Argument zugunsten von öffentlichen
Investitionen leuchtet ein, bekräftigt auch Summers in seinem Blog erneut. Investitionen
in Infrastruktur amortisieren sich durch die wachsende Wirtschaft und den
Anstieg der Steuereinnahmen, erklärt der an der Harvard University tätige Wirtschaftsprofessor. Nach McKinsey Global Institute’s Schätzungen werfen solche Investitionen einen Ertrag von
20% ab.
Selbst wenn der Ertrag nur 6% betragen würde und
die öffentliche Hand für jeden Dollar des BIP 0,25 Dollar einnehmen würde,
würde der Staat 1,5% auf Investitionen verdienen. Und dies übersteigt die
tatsächlichen Kosten der Kreditaufnahme auch über einen Horizont von 30 Jahren
hinaus, betont Summers weiter.
Vor diesem Hintergrund unterstreicht auch Brad Setser in seinem Blog, dass es
keinen Grund für Deutschland gibt, keinen Fiscal
Stimulus in Angriff zu nehmen.
Stimulus ist notwendig für eine Umorientierung
der deutschen Wirtschaft, um von dem einzig auf das Exportgeschäft gestützten
Modell via Lohnwachstum im Privatsektor wegzukommen und für Deutschlands
Handelspartner in der Eurozone Raum zur Anpassung zu öffnen, ohne in eine Deflationsfalle
zu rutschen, argumentiert Setser. Zumal es solide Evidenz dafür gibt, dass
Deutschlands öffentliche Investitionen zu niedrig für eine langfristig gesunde
Entwicklung der Wirtschaft sind.
Statt dass die deutsche Wirtschaft um 1% im
nächsten Jahr wächst und einen Haushaltsüberschuss (fiscal surplus) von 1% des BIP auflegt, könnte Deutschland mit öffentlichen
Investitionen (fiscal stimulus) das
Wirtschaftswachstum auf 2% steigen lassen und damit dem Rest der Weltwirtschaft
helfen, Ungleichgewichte im Aussenhandel erheblich zu reduzieren.
Der Übergang von der Geldpolitik zu einem
kombinierten Ansatz von Geld- und Fiskalpolitik drängt sich immer mehr auf, ob
die Mehrzahl der (Mainstream-) Ökonomen es wollen oder nicht. Wir sind bereits
in Transition.
Der jüngste Verlauf der Rendite der deutschen Staatsanleihen
mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: FastFT
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