Brexit ist ohne Zweifel eine tragische
Entwicklung. Was aber die Folgen betrifft, da scheiden sich die Geister.
Paul
Krugman beispielsweise hat in seinem Blog von Anfang an auf die Unterscheidung zwischen
kurz- und langfristigen Konsequenzen hingewiesen. Sein Standpunkt hat sich v.a.
auf das in den Medien öfters wiedergegebene Argument über die „Unsicherheit“, die angeblich negative
Auswirkungen auf die Wirtschaft entfalte, bezogen.
Der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY)
forschende Wirtschaftsprofessor hat gesagt, dass er damit einverstanden sei, dass
mit dem Brexit Unsicherheiten wachsen und längerfristig auf der Angebotsseite
der britischen Wirtschaft mit Schaden gerechnet werden muss.
Das alles sei aber nicht ausreichend, davon
auszugehen, dass eine Rezession bevorstünde. Rezessionen sind nämlich das
Ergebnis von fallender Nachfrage, nicht von höheren Handels-, Investitionen-
und Migrationsbarrieren, die in Grossbritannien später tatsächlich kommen könnten.
Wer jedoch behaupte, das ist in der Tat eine
überwältigende Mehrheit von Ökonomen, dass auch kurzfristig negative
Auswirkungen zu erwarten seien, liege falsch. Man braucht nicht um den heissen
Brei herum zu reden, um festzuhalten, dass solche Vorhersagen mit der Standard
Makroökonomie nicht im Einklang stehen.
Die „politische Unsicherheit“ steht auf
Rekordhoch, Graph: Morgan Stanley
Dennoch werden sie uns in den Mainstream-Medien täglich neu präsentiert. Kein Wunder, dass manche befürchten, dass damit auch die
Glaubwürdigkeit von Ökonomen beeinträchtigt werden kann.
FTSE 100 Index, Graph: FT
Es ist laut Krugman evident, dass der Rückgang
der Handelsaktivitäten die britische Wirtschaft weniger produktiv und ärmer
machen würde als es sonst der Fall wäre. Seiner Ansicht nach ist es deshalb vernünftig,
anzunehmen, dass das britische Einkommen um 2 bis 3% zurückgehen würde.
Was er nicht akzeptieren kann, sind die Warnungen
über eine bevorstehende Rezession, wobei zu betonen ist, dass die Argumente über den Handel die
Angebotsseite der Wirtschaft betreffen, weil weniger Handel weniger
Produktivität und niedrigere Produktionskapazitäten bedeuten kann. Aber die Art
von Rezession, von der in den Medien die Rede ist, ist ein nachfrageseitiges
Phänomen, ausgelöst durch eine Einschränkung der Ausgaben.
Volatilität-Index (VIX) liegt auf einem
historisch niedrigen Wert, Graph:
Morgan Stanley
Fazit: Die Idee hinter dem Argument
„Unsicherheit“ basiert darauf, dass Investitionen und Konsum wegen „bad news“ zurückfallen würden.
Es gibt
aber kein theoretisches Modell, dass diese Prämisse unterstützen würde. Das Ganze hört sich daher wie ein Zirkelschluss
an: Unternehmen erwarten schlechte Sachen und investieren nicht. Und schlechte
Sachen passieren.
Warum hören aber wir ähnliche Warnungen vor Rezessionen nicht,
wenn es um Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung geht?
Wer einen
Blick auf den Verlauf der britischen Aktien wirft, stellt unmittelbar fest,
dass die Indizes heute deutlich höher liegen als vor dem „Brexit“. Von wegen Unsicherheit!
Auch implizierte Volatilität deutet wegen der
bevorstehenden Präsidentschaftswahl in den USA auf kein wachsendes Risiko hin, Graph: Morgan Stanley
1 Kommentar:
Brexit ist eine politisch motivierte Entscheidung der Gesellschaft, die nicht länger bereit war die EU-Integration, mit allen Konsequenzen - v.a. Abgabe der nationalen Kompetenzen an Brüssel - weiter zu treiben. (sehe dazu den „Bericht der fünf Präsidenten“ der EU vom Oktober 2015)
Man kann also nicht pauschal sagen „Brexit ist ohne Zweifel eine tragische Entwicklung.“
Solche souveränen nationalen Entscheidung müssen akzeptiert werden auch als der Wille die Demokratie zu schützen; das Gegenteil ist in Griechenland mit dem letzten Referendum passiert.
EU-Zugehörigkeit garantiert keine gute wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedsländer.
Z.B. Norwegen geht es wirtschaftlich besser als dem EU-Mitglied GB.
Wirtschaftliche Entwicklung hängt von vielen Faktoren, ganz bestimmt aber nicht vom Freihandel und Stimmungen in der Mainstreampresse ab.
Die entscheidende Frage ist: was die Britten (sprich die Entscheidungsträger) aus der neu gewonnenen Freiheit machen, (als das Mutterland des Neoliberalismus!). Wenn sich aber der wirtschaftliche Pragmatismus durchsetzt, dann sind die Perspektiven sehr gut. Sie können sich reindustrialisieren und die wichtigen öffentlichen Güter wieder in eigene staatliche Hand nehmen. Dieses Szenario erscheint mir aber ziemlich unwahrscheinlich. (Nur ein Aspekt: 90% des Kreditmarktes wird von 5 Grossbanken beherrscht!)
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