Was ist der Unterschied zwischen Fiskal- und
Geldpolitik? Eine Frage, die von Ökonomen selten eindeutig geklärt wird, weil sie annehmen, dass alle im Allgemeinen wissen, worum es genau geht.
Das stimmt aber nicht ganz, zumal die
Unterscheidung in den Nachwirkungen der Finanzkrise vor allem in der
anhaltenden Debatte über das sog. Helicopter Money (HM) inzwischen etwas verwischt wurde, wie Eric Lonergan in seinem Blog
beschreibt.
Ein wesentlicher Grund ist, die Volkswirte sind sich
dessen bewusst, dass Fiskal- und Geldpolitik sich gegenseitig beeinflussen. Der
unmittelbarste Bereich der Überlappung ist, wenn es um Finanzierung von
Haushaltsdefiziten geht.
Während die Geldpolitik
Veränderungen in Bezug auf die Bereitstellung der Notenbankgeldmenge (monetary base) betrifft, hat die Fiskalpolitik Veränderungen in Bezug
auf Steuerveranschlagung und Staatsausgaben zum Inhalt, wie Lonergan kurz
zusammenfasst.
Die herkömmliche Forschungsarbeit geht davon aus,
dass die die Zentralbanken dem Schatzamt vollständig unterwürfig sind, wobei
die Haushaltsdefizite die Geldpolitik zu Fall bringen können, wenn die
Regierung an einem gewissen Punkt Geld druckt, um ihre Rechnungen zu
begleichen.
Dies unterminiert aber die oben geschilderte
Unterscheidung nicht. Es legt nur nahe, dass das Schatzamt an einem gewissen
Punkt die Geldpolitik unter Kontrolle nimmt. In der Praxis hat die Geldpolitik
den Vorrang.
In der Eurozone ist die EZB gesetzlich gehalten,
so viel wie nötig Notenbankgeldmenge (Geldbasis) zu schaffen, um die
Preisstabilität zu gewährleisten. Und wenn die EZB mehr Anleihen braucht, um
Offenmarktpolitik (OMO: open market operations) durchzuführen,
kann sie von den Regierungen fordern, diese bereitzustellen.
Und Offenmarktgeschäfte sind nichts anderes als
der Ankauf und der Verkauf von Anleihen am offenen Markt. Die mengenmässige
Lockerung der Geldpolitik, d.h. die QE-Politik ist dabei keine Ausnahme. Das
ist, was die EZB gegenwärtig macht: Kauf von langfristigen Staatsanleihen am
Markt. Und neulich kauft die EZB sogar private Unternehmensanleihen.
Helicopter Money (HM), Graph: FT
Hier beginnt die Verwirrung: Obwohl die Anleihen
in der Bilanz der EZB (oder in den Bilanzen der nationalen Notenbanken) bleiben,
haben sie keine ökonomische Relevanz mehr, wie Paul De Grauwe in einem lesenswerten Beitrag schildert.
Zum Beispiel bezahlt das spanische
Finanzministerium Zinsen auf diese Anleihen. Die spanische Zentralbank reicht
diese Zinszahlungen am Ende des Jahres an das spanische Schatzamt zurück. Das
bedeutet, dass die spanische Regierung keine Zinsen mehr für den Teil ihrer
Schulden zahlt, der sich in den Büchern der spanischen Zentralbank (oder der
EZB) befindet. Alle diese Regierungen kommen in den Genuss eines
Schuldenerlasses, bekräftigt der im Europa Institute der London School of Economics lehrende Wirtschaftsprofessor.
Wenn die EZB Anleihen eines Eurostaates kauft,
ist das so, wie wenn diese Anleihen aufhören würden, zu existieren, so De Grauwe als Fazit.
In diesem Sinne betont auch Charles Wyplocz in einem Artikel in FuW, dass die staatlichen Schuldtitel, die die
Notenbanken im Rahmen der QE-Politik in den USA, in den meisten europäischen Ländern,
im Vereinigten Königreich sowie in Japan aufkaufen, de facto nicht mehr existieren, weil ihre Bedienung ja nichts
kostet:
Der Staat zahlt die Zinsen an seine Notenbank, die ihren Gewinn wiederum
der Regierung zukommen lässt, so der Wirtschaftsprofessor für International
Economics im Graduate Institute of
International and Development Studies in Genf.
QE ist daher nicht mehr Fiskalpolitik als OMO. Je
nach institutionellem Regime fliessen die Gewinne und Verluste der
Zentralbanken an das nationale Schatzamt (Finanzministerium). Und die gross
angelegte QE-Politik (Anleihekaufprogramm) hat grosse Auswirkungen auf die
Gewinne der Zentralbanken, und damit fiskalische Konsequenzen. Und dies untergräbt
keineswegs die oben geschilderte Unterscheidung zwischen Geld- und
Fiskalpolitik.
Wir können endlos darüber diskutieren, ob HM mehr
Geld- oder Fiskalpolitik ist. Auch wenn die Versuche, zwischen den beiden zu
unterscheiden, manchmal wichtige Punkte klären können, sind sie letztlich
sinnlos, bemerkt Simon Wren-Lewis in
seinem Blog.
Denn HM ist, was es ist. Argumente, die gestützt
auf die Definitionen versuchen, daraus zu schliessen, dass die Zentralbanken
darauf verzichten sollen, weil HM Fiskalpolitik ist, sind ebenso zwecklos, so
der an der Oxford University lehrende
Wirtschaftsprofessor.
HM ist Fiscal
Stimulus ohne sofortigen Anstieg der staatlichen Kreditaufnahme. Politiker,
die gegen HM sind, wie z.B. Osborne und Merkel, liegen falsch, weil HM die
angebliche Einschränkung (Finanzierung durch staatliche Verschuldung), die die weitere
konjunkturelle Unterstützung verhindere, vermeidet. Denn HM wird nämlich nicht
durch eine Erhöhung der Staatsschulden finanziert.
Das Entscheidende in Sachen money-financed Haushaltsdefizite ist politisch, hält Adair Turner in einem Kommentar in FT fest. Die Frage ist daher, ob wir Regeln und Verantwortlichkeiten entwerfen können,
die gewährleisten, dass HM nur unter bestimmten Umständen und Mengen eingesetzt
wird? Und das ist seiner Meinung nach möglich, wie der ehemalige Vorsitzende
der britischen Finanzmarktaufsichtsbehörde (Financial
Services Authority) auch in seinem Buch unterstreicht.
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