Mario Draghi hat gestern in einem Forum („The future of financial markets“) in
Frankfurt zu der wachsenden Kritik der Politiker und der Banker aus Deutschland
an der gegenwärtigen Geldpolitik der EZB Stellung genommen.
Die Niedrigzinsen sind nicht das Problem, sondern
das Symptom eines zugrundeliegenden Problems; nämlich der schwachen
Investitionsnachfrage in der ganzen Welt, die nicht fähig ist, alle Ersparnisse
zu absorbieren.
Und dies erfordert, dass wir sowohl die lang- als auch die
kurzfristigen Treiber der Nachfragemangel angehen, und dafür nicht nur Geldpolitik,
sondern auch andere Arten von Massnahmen einsetzen, erklärt EZB-Präsident.
Was Draghi mit „anderen Massnahmen“ meint, ist
klar: fiscal stimulus. Später in seinem Referat beschreibt EZB-Chef den einzig möglichen Spielraum in der
Zusammensetzung des Policy-Mix: ein Gleichgewicht der Geld- und Fiskalpolitik.
Diejenigen, die heute eine geringere Rolle für die
Geldpolitik fordern und eine kürzere Periode der monetären Expansion
befürworten, implizieren in der Tat (notwendigerweise) eine grössere Rolle für
die Fiskalpolitik, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln und die
Produktionslücke (output gap) zu
schliessen, betont Draghi mit Nachdruck.
Eurozone BIP, Graph:
NYTimes
Und das ist eindeutig ein Wink mit dem Zaunpfahl
in Richtung Wolfgang Schäuble. Mit dem Hinweis auf Deutschlands
Leistungsbilanzüberschuss von rund 290 Mrd. EUR (2015) unterstreicht Draghi
weiter, dass es unter diesen Umständen eine Illusion wäre, einen Zinsanstieg zu
erwarten.
Auch das amerikanische Schatzamt hat vor ein paar
Tagen auf den rasanten Anstieg des deutschen Leistungsbilanzüberschusses
hingewiesen und mitgeteilt, das Land mit China, Japan und Korea auf eine Beobachtungsliste
(Monitoring List) zu setzen.
Das US-Treasury betont zugleich, dass Deutschland
über genügend fiskalpolitischen Spielraum verfüge, die Binnennachfrage zu
stimulieren.
Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 5
Jahren Laufzeit beträgt heute minus 0,29%, und zwar seit einer langen Zeit.
Auch die Rendite der inflationsindexierten Bundeswertpapieren ist über die lange Laufzeit hinaus negativ: 2 Jahre:
-1,20%, 4 Jahre: -1,19%, 7 Jahre: -1,01%, 10 Jahre: -0,84%.
Man muss kein Experte des Fachs sein, um daraus zu schliessen,
dass die niedrige Rendite der langfristigen sicheren Staatspapiere ein Hinweis
darauf ist, dass die Investoren (noch) kein Licht am Ende des Tunnels sehen,
was die Erholung der Wirtschaft betrifft.
Verantwortlich für die
Deflation und die Depression in der Eurozone ist die (neoliberal geprägte) wirtschaftspolitische Konzeption,
die von Berlin verordnet und von Brüssel umgesetzt wird. Es gibt keinen Grund
zur Freude, dass die europäische Wirtschaftsleistung acht Jahren nach dem Ausbruch
der Krise nun endlich das Vorkrisenniveau erreicht hat.
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