Samstag, 29. Oktober 2016

Reality Check: Der private Verbrauch im Euro-Raum

Die Forscher deuten in diesen Tagen im Allgemeinen für die sanfte Erholung der Konjunktur im Euro-Raum auf die Auslandnachfrage und eine „Stabilisierung der Zuwachsrate des privaten Konsums“ hin. Es heisst, dass der Verbrauch von der Aufhellung am Arbeitsmarkt profitiere.

Eine von der EZB am Freitag vorgelegte Analyse betont hingegen, dass die Konsumausgaben heute um 4,1% höher liegen als im Tiefstpunkt im ersten Quartal 2013, während die Investitionen seither um 7,7% gestiegen sind.

Der Vergleich zu den vorangegangenen Rezessionen zeige, dass es der private Konsum ist, der mehr Stimulus braucht.

Die Entwicklung der Investitionen in der gegenwärtigen Phase der Konjunktur sei nicht ungewöhnlich. Vielmehr handelt es sich dabei um einen langsamer wachsenden gesamtwirtschaftlichen Konsum als üblich. Und das ist für die europäischen Entscheidungsträger wesentlich, was die Ankurbelung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage betrifft, lautet das Fazit der Forschungsarbeit.  


Verlauf der Konsumausgaben im Euro-Raum nach der Talsohle der Rezession, Graph: ECB Research Paper: „The recovery of investment in the euro area in the aftermath of the Great Recession“, by Philip Vermeulen, Oct. 2016


Kein Wunder, dass die Investitionen nicht erhöht werden, weil der private Konsum kaum von Fleck kommt. Warum? Weil die Einkommensaussichten der privaten Haushalte düster bleiben. Warum? Wegen der Gürtel-enger-schnallen-Politik („Schwarze-Null“-Politik), die von Berlin gefordert wird.



Investitionen im Vergleich: Euro-Raum versus US-Wirtschaft, Graph: ECB Research Paper: „The recovery of investment in the euro area in the aftermath of the Great Recession“, by Philip Vermeulen, Oct. 2016


Nun mehren sich aber die Anzeichen, dass das Blatt sich wendet. Selbst ein hartgesottener Neoklassiker schreibt in der FAZ, dass die deutschen Unternehmen zum Netto-Sparer geworden sind.

Der Kolumnist erwähnt zwar die niedrigen deutschen Löhne, die für den Rückgang der Binnennachfrage und das schwache Wirtschaftswachstum verantwortlich sind, nicht. Aber er thematisiert immerhin den steigenden Überschuss im Finanzierungssaldo (Ersparnisse minus Investitionen) des Unternehmenssektors in Deutschland.

Brad Setser knüpft in seinem Blog genau daran, um zu erläutern, wie ungesund die Ersparnisschwemme (saving glut) für die gesamte Wirtschaft ist und warum die Niedrigzinsen deshalb anhalten.


Überschuss-Volkwirtschaften in Asien und in Europa, Graph: Brad Setser

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