Huw van Steenis erklärt in einem lesenswerten Artikel in FT, warum die Zentralbanken etwas Friktion in ihren Modellen benötigen.
Gemeint sind die neoklassischen Modelle, weshalb die meisten Zentralbanken i.d.R. von stabilen Verhältnissen ausgehen, ohne Friktionen in der Finanzwelt, zum Beispiel mit Agenten, die nie in Verzug geraten.
In einer friktionslosen Volkswirtschaft fliessen die Mittel zu den produktivsten Projekten, unabhängig davon, wer das Geld hat, wie die Risikobereitschaft ist, oder wie die Anreize gelagert sind. Und die Zentralbanken, die sich auf die neoklassischen Modelle berufen, betrachten die Märkte als vollkommen. Die Annahme von Unvollkommenheiten würde daher helfen, monetary stimulus Pläne zu verfeinern, argumentiert der neue Global Head of Strategy bei Schroders.
In einer neoklassisch geprägten Welt gäbe es keine Banken, da jeder zu demselben (risikolosen) Zinssatz Kredit aufnehmen und Geld verleihen würde. Und es gäbe auch keinen Bedarf fürs Geld, da jedermanns Schuldschein (IOU) sofort und vollkommen überall akzeptabel wäre. Das ist aber eine Fantasiewelt.
Das erwartete Realwachstum in den grössten Volkswirtschaften des Euro-Raums, Graph: ECB in Economic Bulletin, Oct 31, 2016
Die Kreditnachfrage des privaten Sektors, Rentabilität der Banken, Kapitalanforderungen und Risikoaversion betreffen alle nicht nur die Finanzaggregate, sondern auch die Realwirtschaft durch eine Vielzahl von Kanälen.
Und wenn dazu übersehen wird, wie die Banken funktionieren, bedeutet es, dass die Modelle, die die Zentralbanken an den Tag legen, nur vereinfachte Schönwetter-Bilder liefern, so Steenis.
Seiner Ansicht nach geht auch die neue Phantasie über die Abschaffung von Bargeld, wie von Kenneth Rogoff vorgeschlagen wird, zur Durchsetzung der Negativzinsen, nicht auf.
Was der Autor als Fazit nahelegt, ist, dass die neoklassischen Modelle keinen Nutzen bieten. Ganz im Gegenteil: Die anhaltende Krise wird dadurch zusätzlich verschärft.
Die vorherrschende neoklassische Theorie geht davon aus, dass die Arbeitsmärkte flexibel sind. Das heisst, dass, wenn die Arbeitslosigkeit droht, die Löhne gekürzt werden müssen, um Unternehmen zu animieren, neue Mitarbeiter einzustellen.
Dass dieses Konzept scheitert, zeigt zumindest der Zeitraum seit dem Ausbruch der Krise im Euro-Raum. Die Arbeitslosigkeit lässt sich mit Lohnzurückhaltung nicht bekämpfen. Und deswegen gelingt es der Geldpolitik allein nicht (ob konventionell oder unkonventionell in Form von QE), die gesamte Wirtschaft anzukurbeln. Es bedarf Policy-Mix; Begleitung der lockeren Geldpolitik durch die expansive Fiskalpolitik.
Wie Olivier Blanchard in einem gestern veröffentlichten Interview mit MarketWatch sagt, verfügt heute förmlich jedes Land über einen fiskalpolitischen Spielraum.
Spanien beispielsweise hat eine Verschuldungsquote (debt-to-GDP ratio) von rund 100%. Investoren scheinen nicht besorgt. Denn die Rendite der spanischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit fällt weiter. Wenn die spanische Regierung nun beschliessen würde, die Staatsausgaben in den kommenden zwei Jahren um 2% im Verhältnis zum BIP zu erhöhen, um Infrastruktur-Investitionen zu fördern, wäre es eine bedeutende fiskalpolitische Expansion.
Mit dem Multiplikator-Effekt würde das BIP wachsen: In der Tat würden die Mehr-Ausgaben um 2% die Einnahmen um 1% steigen lassen. Die Schuldenstandsquote würde zwar von 100 auf 103% zulegen. Würden sich aber Investoren sofort eindecken wollen? Kaum, antwortet der ehemalige Chef-Ökonomen von IWF und der gegenwärtige Senior Fellow beim Peterson Institute for International Economics (PIIE).
Es kommt also darauf an, wie das Geld eingesetzt wird. Wenn es für einen guten Zweck wie Infrastruktur angelegt wird, dann kann man mit Fug und Recht sagen, dass es für viele Länder genügend Spielraum in fiskalpolitischer Hinsicht gibt.
Die Qualität der bestehenden Infrastruktur im Euro-Raum nimmt ab, Graph: ECB in Economic Bulletin, Oct 31, 2016
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen