Preisstabilität bedeutet nicht Null-Prozent
Inflation. Sowohl eine zu hohe Inflation als auch eine zu niedrige Inflation
kann der Wirtschaft schaden. Das hat Mario
Draghi in seinem Vortrag vor dem Deutschen Bundestag vergangene Woche
gesagt.
Die EZB handelt, weil die Inflation sich vom
Zielwert (nahe 2% auf mittlere Sicht) der EZB entfernt hat. Das bedeutet, dass
die Inflationserwartungen in der Eurozone nicht mehr verankert sind.
Wenn die Verbraucher einen weiteren Rückgang der
Preise erwarten, stellen sie Anschaffungen zurück und die Unternehmen
investieren angesichts der sich verschlechternden Absatzaussichten nicht. Und
die Beschäftigung nimmt ab. Wenn die Löhne sinken, steigt auch die
Arbeitslosigkeit.
Und wenn die Abwärtsspirale sich fortsetzt, bricht die
Wirtschaft zusammen, weil Berlin und Brüssel gleichzeitig daran festhalten,
dass alle Mitgliedstaaten in der Eurozone, koste was es wolle,
Haushaltskonsolidierung durchsetzen.
Dennoch werde Stimmen laut, dass die
Niedrigzinsen die Sparer belasten. Es ist zwar unbestritten, dass die
geldpolitischen Massnahmen Verteilungseffekte auf die Bürger entfalten. Aber es
eindeutig die Austerität, die die Zinsen niedrig hält.
Da die Senkung der Leitzinsen nicht mehr
ausreicht, um die angestrebte Inflationsrate zu erreichen, die mit der
Preisstabilität im Einklang steht, hat die EZB auf unkonventionelle Massnahmen
zurückgreifen müssen. Das bekannteste Beispiel ist das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (genannt QE). Die EZB ist aber nicht die einzige Zentralbank,
die eine QE-Politik verwendet. Auch die BoE hat ein umfangreiches
Anleihekaufprogramm aufgelegt.
Der Wert der Anleihen (weltweit) mit einer
Rendite unter Null Prozent, Graph:
Bloomberg
Das Geschehen am Markt zeigt, dass die QE-Politik
die Renditen der Staatsanleihen drückt. Seitdem die EZB und die BoE neuerdings
auch Unternehmensanleihen kaufen, fallen auch die Renditen der Wertpapiere im
Privatsektor.
Weniger als ein Siebtel der negativ-rentierenden Anleihen gehen auf private Unternehmen zurück, berichtet Bloomberg gestützt auf den „Bloomberg
Barclays Globale Aggregate Index“.
Der Wert der Anleihen mit Negativ-Rendite, die
vom genannten Index erfasst werden, ist per Ende September inzwischen um 6,1% wieder
auf 11,6 Billionen USD (d.h. 11,600
Mrd. USD) gestiegen, nachdem in den vergangenen zwei Monaten ein Rückgang verzeichnet
worden war. Der bisher höchste Wert wurde zuletzt mit 11,9 Billionen USD im
June beobachtet.
Aufschlüsselung der Negativ-Renditen nach Ländern, Graph: Bloomberg
Niedrige Zinsen sind ein Symptom der zugrundeliegenden Wirtschaftslage, wie Draghi betont. Für einen Anstieg der Zinsen sind mehr
Investitionen und Konsum erforderlich, und nicht eine „Gürter-enger-schnallen“-Politik
in einem schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft, geschweige denn eine pathetische
„Schwarze Null“-Politik.
Wenn die Geldpolitik zu kurz greift, muss ein Policy-Mix her. Die Ersparnisse müssen produktiv
eingesetzt werden, damit die Produktivität erhöht wird und die Beschäftigung
steigt.
Aufgliederung der Negativ-Renditen nach Marktanteilen
(privat versus öffentlich), Graph:
Bloomberg
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