Benoît Cœuré, Direktoriumsmitglied der EZB hat
gestern in einem Referat in den USA gesagt, dass die EZB noch über einen
Spielraum verfügt, wenn nötig, die Zinsen weiter zu senken, bevor sich negative
Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Konsumverhalten bemerkbar machen.
Die monetäre Entwicklung in der Eurozone deute laut
Cœuré nicht auf eine Cash-Substitution hin. Das heisst, dass die EZB noch weit
weg von der „physischen Null-Untergrenze“ entfernt ist, wo das Risiko von Disintermediation auftauchen würde.
Seiner Einschätzung nach ist die Umsatzstruktur
der Banken im Euro-Raum seit einer langen Zeit stabil. Das Netto-Einkommen der
Banken sei zwischen 2014 und 2015 gestiegen, getrieben durch geringere
Abschreibungen und höhere Nichtzins-Erträge.
Es gebe inzwischen jedoch Anzeichen dafür, dass die
Banken beginnen, Kunden als Ersatz für Produkte, die an Zinsen gebunden (interest-based products) sind, „kostenpflichtige
Produkte“ (fee-based products) anzubieten.
Übersicht über Staatsanleihen mit
Negativ-Renditen, Graph: Benoît Cœuré, EZB in: „Assessing the implications of
negative interest rates“
Während die EZB
also zumindest zwei starke positive Effekte (*) aus Niedrigzinsen hervorhebt, scheint
die BoJ davon auszugehen, dass die
Negativ-Zins-Politik (genannt NIR) am
Ende ist, weil die japanischen Banken sich grösstenteils via Kunden-Einlagen (deposits) finanzieren, die nach Angaben
von Morgan Stanley 59% der
Verbindlichkeiten der Banken ausmachen.
Finanzierungssalden Japan, Graph: Heiner Flassbeck in Makroskop
Die Einzelheiten des japanischen Konjunktur-Programms (28 Billionen JPY = ca. 270 Mrd. USD) werden zwar erst
nächste Woche offiziell vorgestellt. Aber was heute schon bekannt ist, spricht
Bände: Erhöhung der öffentlichen Investitionen.
Premierminister Shinzo Abe zeigt damit Einverständnis dafür, dass die Investitionen
des Staates nicht vom absoluten Stand der staatlichen Schulden abhängig gemacht
werden dürfen, erklärt Heiner Flassbeck
in einem lesenswerten Eintrag in Makroskop.
Japans Schuldenstandsquote (debt to GDP) beträgt nämlich
rund 250%. Im Euro-Raum hingegen darf der entsprechende Wert 60% nicht
übersteigen. Sonst drohen EU-Behörden, Sanktionen zu verhängen.
Japans Entscheidungsträger wissen offensichtlich,
dass „es angesichts der Konstellation der Finanzierungssalden der Wirtschaft gar
keine andere Möglichkeit gibt, Impulse für die Konjunktur zu setzen“, legt
Flassbeck weiter dar.
Während die privaten Haushalte und die
Unternehmen per Saldo versuchen zu sparen, will die öffentliche Hand Japans Geld
ausgeben, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das ist richtig so.
Denn der Staat ist nicht nur kurzfristig, sondern
permanent gefordert, die Nachfragelücke zu schliessen, wie Flassbeck mit
Nachdruck unterstreicht.
Finanzierungssalden Deutschland, Graph: Heiner Flassbeck in Makroskop
Im Euro-Raum, insbesondere aber in Berlin will scheinbar
niemand sich mit diesem einfachen Zusammenhang auseinandersetzen. Die EU-Politiker
fordern selbst in einer schweren Rezession Haushaltskonsolidierung.
Und
Deutschland rettet sich aus japanischen Konsequenzen immer weiter, und zwar mit
Merkantilismus (mit Leistungsbilanzüberschüssen in Höhe von 8% de BIP).
Währenddessen meldet Eurostat heute,
das über 20,9 Millionen Menschen im Euro-Raum arbeitslos sind.
Das ist in der Tat eine Schande, dass die
EU-Behörden sich immer noch weigern, die Konjunktur mit deficit spending zu stützen, in einer Welt, wo die Geldpolitik eindeutig
an Zugkraft verloren hat und die Kreditnehmer statt die Kreditgeber im Kredit-Geschäft
bezahlt werden.
Die Negativ-Renditen auf sichere Staatsanleihen bedeuten ja nichts
anders als dass die betreffenden Staaten Geld dafür bekommen, wenn sie Kredit
aufnehmen.
Der Aufschwung fällt nicht vom Himmel. Das ist mehr
oder weniger die Botschaft der japanischen Regierung mit den neuen, erweiterten
Stimulus-Massnahmen.
(*)
(1) Das reduzierte Kreditausfall-Risiko und niedrigere
Schuldendienst-Kosten, was per Definition die Kreditqualität erhöht und (2)
Kapitalgewinne aus dem Bond-Portfolio.
2 Kommentare:
"Der Aufschwung fällt nicht vom Himmel. Das ist mehr oder weniger die Botschaft der japanischen Regierung mit den neuen, erweiterten Stimulus-Massnahmen."
Wetten daß... die neuen Billionen auch nichts Entscheidenes bringen? Dagegen steht die BoJ, die die Ziehle klar seit den 1980-er deffiniert und die heißen: Deregulierung, Privatisierung und Liberalisierung der japanischen Wirtschaft, koste es was es wolle! Die Wirtschaftsstruktur Japans soll dem US-amerikanischen Modell angeglichen werden - das ist das wahre Ziel.
Und das ist keine Verschwörungstheorie!!
Top! Die Wette gilt...
...und wenn ich die Wette verlieren soll - um so besser - dann haben wir die Revolution!
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