Der Eurozone geht es seit der Krise von 2008
besonders schlecht. Die Wirtschaft steckt in einem tiefen Abschwung; ja man
kann sogar sagen, in einer Depression.
Deutschland gibt gern den Ländern mit
Leistungsbilanzdefizit die Schuld und verweist auf Defizite und
Lasterhaftigkeit der anderen Länder.
Und Berlin fordert, ohne mit der Wimper zu
zucken, vom Rest der Eurozone, sich so zu verhalten wie Deutschland. Das heisst:
einen Überschuss im Haushalt zu erzielen und einen Überschuss in der
Leistungsbilanz zu erstreben.
Dass das aus rein buchhalterischen Gründen gar
nicht geht, muss wahrscheinlich nicht näher erläutert werden. Schliesslich sind
die Einnahmen des einen die Ausgaben des anderen. Es sei denn, die Welt
betreibt plötzlich Handel mit dem Mars. Fakt ist, dass die Welt als Ganzes
keine Schulden hat.
Geflissentlich wird jedoch „vergessen“, dass Deutschland
das Ausland weiter in die Verschuldung treibt.
Ganz in diesem Sinn bemerkt Brad Setser in seinem Blog, dass Deutschlands Haushaltsüberschuss (1,2%
des BIP) Deutschlands massiven Leistungsbilanzüberschuss verstärkt.
Und der externe Überschuss Europas (350Mrd.EUR) den
Nachfrageausfall effektiv an den
Rest der Welt exportiert und damit den Abwärtsdruck der Zinsen weltweit erhöht.
Der neutral Zinssatz ist seit 2007 um 1 bis 2,5% gesunken,
Graph: Greg Ip in: WSJ
Im Übrigen: Dass sich der Überschuss im
öffentlichen Sektor zum Überschuss im privaten Sektor addiert und in einem
stärkeren Ausmass zur Entfaltung kommt, bedeutet nichts anders als, dass das
betreffende Land als Ganzes weniger verbraucht als es herstellt, wobei der ins
Ausland verfrachtete Überschuss mit einem Anstieg der Forderungen gegenüber dem
Ausland einhergeht, wie Martin Sandau
in seiner Kolumne (pay-wall) in FT unterstreicht. Das heisst Schulden versus Forderungen.
Deutsche Politiker sagen zwar gern, dass der
enorme Handelsüberschuss des Landes nicht das Ergebnis der Wirtschaftspolitik,
sondern der wirtschaftlichen Fundamentaldaten ist. Aber die Behauptung ist,
soweit es den Haushalt betrifft, schlicht nicht haltbar.
Fiskalpolitischer Impuls ist allem Anschein nach
auch im nächsten Jahr eine Mangelware, Graph:
Morgan Stanley
Die Politiker sehen es eben anders. Aber wie Joseph Stiglitz in seiner Kolumne bei Project Syndicate beschreibt, beruht das
deutsche Wachstumsmodell teilweise in der Tat auf einer „Beggar-Thy-Neigbor“-Politik. Und der Erfolg dabei geht auf Kosten
ehemaliger „Partner“.
Setser betont vor diesem Hintergrund zu Recht,
dass Deutschlands Nachbarn deutsche Nachfrage nach ihren Gütern und
Dienstleistungen viel mehr brauchen als Deutschlands Verlangen, in Sachen Haushaltsdisziplin (fiscal prudence) ein Zeichen zu setzen.
Angesichts der bestehenden Gefahr einer
Schuldendeflation (debt-deflation trap)
in Deutschlands Partnerländern der Eurozone kann eine erfolgreiche Anpassung
der Ungleichgewichte in der Eurozone nur dann stattfinden, wenn die Preise und
Löhne in Deutschland schneller steigen als im Rest der Eurozone.
Damit fasst Setser das zusammen, was Heiner Flassbeck seit ungefähr zehn
Jahren in diversen Vorträgen, Diskussionen und Schriftstücken zum Ausdruck
bringt.
Finanzierungssalden der Wirtschaftssektoren in
Deutschland, Graph: Heiner Flassbeck
in: Makroskop
Auch Paul
Krugman schreibt in seinem Blog bei NYTimes, dass der Euro-Raum die
Frühphase von secular stagnation
erleidet. Die Inflationsrate beträgt um die Hälfte weniger als der von der EZB
angestrebte Zielwert. Es ist daher nicht weit hergeholt, festzuhalten, dass es eines
fiskalischen Schubs bedarf, um dem „lowflation“-Problem
zu entkommen.
Doch Deutschland Besessenheit von
haushaltspolitischer Rechtschaffenheit steht im Weg. Was die Makroökonomie
betrifft, lebt Deutschland laut Krugman in einem völlig anderen geistigen
Universum.
Und das hat viele grössere Auswirkungen als
schlechte Ideen sonst im Allgemeinen. Denn Deutschlands restriktiver Kurs der
Fiskalpolitik trägt unmittelbar zur Schwäche der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage
Europas bei. Der Defizitfetischismus ist also ein wichtiger Grund, warum die
anderen Länder in der Eurozone trotz der Niedrigzinsen immer noch einer fatalen
Austeritätspolitik ausgesetzt sind.
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