Die Europäische Kommission hat am Mittwoch angekündigt,
gegen Spanien und Portugal keine Sanktionen wegen der von EU-Finanzministern
angekreideten Haushaltsdefizite (*) zu verhängen.
Als Begründung wurde darauf
hingewiesen, dass beide Länder vor grossen wirtschaftlichen
Herausforderungen stünden. Die Brüsseler Behörde verzichte daher auf ein
Geldstrafen-Verfahren.
Die Europäische Kommission will aber jetzt nach
eigenen Angaben im September mit dem Europäischen Parlament in einen Dialog
treten, über eine mögliche Aussetzung von sog EU-Strukturfonds (structural funds: EU’s regional development
program) zu beraten.
EU-Wirtschaftskommissar Piere Moscovici hat hinzugefügt,
dass die EU-Kommission am Einfrieren von Geldern aus dem Strukturfonds
festhalten wolle.
Es ist unbestritten, dass die konjunkturellen Aussichten
für beide „abtrünnigen“ Länder (Eurofinanzminister) sehr schwach sind: Die Arbeitslosigkeit
verharrt auf einem extrem hohen Niveau und der deflationäre Druck bleibt
bestehen. Und die ernste Notlage ist hauptsächlich auf die
Austeritätspolitik der EU-Behörden zurückzuführen.
Wenn es zuletzt Anzeichen einer Erholung gegeben
hat, dann ist es dank der Tatsache geschehen, dass sowohl die spanische
(konservative) als auch die portugiesische Regierung (linke) von dem von
Brüssel und Berlin verordneten Sparkurs etwas abgewichen sind.
Die Rendite der spanischen Staatsanleihen mit 10
Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg
Es ist ein offenes Geheimnis, wie der restriktive EU-Fiskalpakt das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum abbremst. Die Eurozone hat
heute sogar im schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft einen Primärüberschuss.
Doch die Entscheidungsträger im Euro-Raum bestehen auf Haushaltskonsolidierung.
Woher soll aber das Wachstum kommen, wenn alle Länder (und Wirtschaftssektoren) gleichzeitig sparen?
Die Rendite der italienischen Staatsanleihen mit
10 Jahren Laufzeit, Graph: @FastFT
Die Krise im Euro-Raum war nie eine Fiskal-Krise;
sie hatte ihren Ursprung von Anfang an in Zahlungsbilanz-Ungleichgewichten.
Das sieht man heute am Verlauf der Rendite der
Staatsanleihen ganz deutlich. Die Rendite der spanischen
Staatsanleihe beläuft sich auf rund 1 Prozent.
Auch die Rendite der italienischen Staatsanleihen mit vergleichbarer Laufzeit fallen
weiter. Und der Rückgang des Anteils der ausländischen Investoren an den
ausstehenden italienischen Staatsanleihen deutet darauf hin, dass die Spreads sogar tendenziell weiter abnehmen werden.
Anteil der ausländischen Investoren an European
Government Bonds (EGB), Graph: Morgan
Stanley
Deutschland hat genügend Spielraum, um im
Euro-Raum etwas Stimulus beizusteuern. Der Bund hat im ersten Halbjahr 2016 aufgrund
der Negativ-Zinsen für die aufgenommenen Schulden nichts zahlen müssen, sondern
1,5 Mrd. EUR von den Geldgebern eingenommen.
Der IWF
empfiehlt der gesamten Eurozone, auch im nächsten Jahr trotz der
offensichtlichen Widrigkeiten am Kurs der Haushaltskonsolidierung festzuhalten,
während die europäische Wirtschaft einen erheblichen Überschuss im Aussenhandel
(external surplus) aufweist und eine Produktionslücke hat, mit hoher Arbeitslosigkeit an der
Peripherie. Das ist unverständlich, wie Brad
Setser in seinem Blog zum Ausdruck bringt.
Der IWF spricht sich zwar dafür aus, dass Deutschland
es vermeidet, zu einem strukturellen Überschuss überzugehen und alle unerwarteten
Einsparungen möglichst zu investieren.
Aber der IWF empfiehlt nicht, dass Deutschland
mehr unternimmt. Dabei könnte Berlin mit einer lockeren Fiskalpolitik im Jahr
2017 und 2018 erstens die eigene schwache Binnennachfrage ankurbeln und zweitens den Druck auf die
Geldpolitik der EZB an der Nullzins-Grenze (zero
lower bound) erleichtern.
Und damit wäre es auch für Spanien und
Portugal einfacher, die Nachfrageschwäche, die aus der Austeritätspolitik
hervorgeht, durch das Export-Geschäft anzupacken. Dadurch würde auch ein Beitrag
dazu geleistet, die Last der bestehenden Handelsbilanzungleichgewichte im Euro-Raum etwas abzubauen.
(*)
EU-Vorschrift für ein Defizit: Max. 3% des BIP,
2015: Spanien: 5,1%, Portugal: 4,4%.
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