Berlin betont, dass die deutsche Wirtschaft ohne
Schulden wachsen kann.
Stimmt es? Die Realität sieht so aus: Während der
Privatsektor, Haushalte und Unternehmen sich mit Ausgaben zurückhalten,
schnallt auch der öffentliche Sektor die Gürtel enger. Was auffällt, ist die
Verschuldung des Auslands in Deutschland.
Das heisst, dass das deutsche Wirtschaftswachstum
(0,3% im dritten Quartal 2015) von Kredit-Boom in anderen Ländern abhängt, wie Heiner Flassbeck im Rahmen eines
Referats an der Universität Passau anhand einigen bemerkenswerten Abbildungen
neulich wieder gezeigt hat.
Das gegenwärtige exportorientierte
Wachstumsmodell Deutschlands ist nicht nachhaltig, weil es von Defizit und
einer übermässigen Kreditaufnahme im Ausland abhängig ist.
Deutschland (1995-2014), sectoral financial
balances, Graph: Heiner Flassbeck in:
„Eurokrise“
Die trägen Investitionen reflektieren in diesem
Zusammenhang die schwachen Erwartungen in Bezug auf das Konsumwachstum in
Zukunft.
Warum? Weil wenn die Löhne gekürzt werden, Arbeitslosigkeit entsteht
und damit die Nachfrage sinkt. Ohne Nachfrage sehen künftige Umsatzaussichten
für Unternehmen düster aus. Wenn nicht weiter investiert wird, nimmt die
Beschäftigung ab. Und mit der Zeit deutet sich eine Deflationsspirale an.
Deutschland: Leistungsbilanz-Überschuss, Graph: Heiner Flassbeck in: „Die
europäische Kommission mahnt Deutschland, aber nur wenig“
Die Ungleichgewichte, die auf Deutschlands Kappe
gehen, sind das Ergebnis einer bewusst gesteuerten Wirtschaftspolitik, wie Adair
Turner in seinem neuen Buch („Between
Debt and The Devil“) zum Ausdruck bringt.
(1) Die Arbeitsmarktreformen in den frühen 2000er
Jahren, die zu Lasten der Arbeit gegangen sind. Im Ergebnis sind die Löhne im
Privatsektor seit 1999 um 4% gestiegen, wie Turner unterstreicht. Im
öffentlichen Sektor sind sie sogar gefallen.
(2) Die Steuerpolitik, die zu Gunsten von
Unternehmen und zu Lasten von Konsumenten ausgerichtet wurde. Während der
private Verbrauch belastet wurde, wurden Unternehmenssteuersätze gesenkt. Das heisst, dass der Faktor Kapital entlastet wurde, während der Faktor Arbeit belastet worden ist.
(3) Die wahnsinnige Konzeption der sog. "Schuldenbremse" (im
Kontext mit einem immer ausgeglichenen Haushalt), die eindeutig auf der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage lastet.
Das sind im Übrigen Faktoren, die von Flassbeck
vor mehreren Jahren zur Erklärung der Eurokrise mehrmals einleuchtend hervorgehoben
sind.
Schade, dass Simon Wren-Lewis in seinem lesenswerten Blog-Eintrag zur Erläuterung der deutschen Lohn-Moderation und der schweren Folgen im Euro-Raum Heiner Flassbeck mit keinem Wort erwähnt.
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