Larry
Summers hat kürzlich auf der Research-Konferenz von IWF die These vertreten, dass die Wirtschaft in einer „secular stagnation“ steckt. Der ehemalige
US-Finanzminister hat seine Aussage so begründet, dass der Zinssatz, der dafür
sorgt, dass Ersparnisse und Investitionen übereinstimmen, heute negativ ist und
allem Anschein nach noch lange auf dem Niveau verharrt.
Im Grunde genommen war es Paul Krugman, der vor zwei Jahren das Stichwort vorgestellt und über die
Rückkehr von einem schleppenden Wirtschaftswachstum spekuliert
hatte. Heute sagt er, dass Summers die Entwicklung viel besser erläutere und
daher Anerkennung verdiene.
Die “secular stagnation” Theorie kam erstmal in den
ersten Nachkriegsjahren zum Vorschein. Da die geplanten Ersparnisse und die
geplanten Investitionen weit auseinander lagen, unterstrichen einige Ökonomen
die Notwendigkeit, dass die öffentliche Hand eingreifen müsse, um die
Vollbeschäftigung wiederherzustellen.
Die langanhaltende Stagnation der Wirtschaft
beschreibt einen hartnäckigen Nachfrageausfall. Die Volkswirtschaft scheint persistent
in einer Liquiditätsfalle zu stecken. Die Finanzkrise, die eine schwere
Rezession ausgelöst hat, währt mittlerweile das sechste Jahr in Folge . Die Rezession
ist zwar offiziell vor vier Jahren zu Ende gegangen. Aber die Nachwirkungen der
„milden Depression“ halten noch an. Warum? Hier kommt die „secular stagnation“
Theorie ins Spiel.
Wie sieht die Evidenz aus? Experten sprechen über verschiedene
Arten von Ursachen:
Bubble economy (Stichwort: Schuldenüberhang im Privatsektor),
Savings glut (in Folge von global imbalances),
Produktive Innovationen gehören der Vergangenheit (Robert Gordon),
Oder etwas anderes? Zum Beispiel tiefe Löhne?
Euro-Zone: Lohnstückkosten im Vergleich, Graph: Morgan Stanley
Larry Summers weist auf die Immobilienmarkt-Blase und
den Schuldenberg im Privatsektor hin, sodass die Flaute der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage heute „normal“ erscheint.
In der Blogosphäre wird auch die Verlangsamung des
Bevölkerungswachstums erwähnt. Sinkt das Wachstum, fällt die Nachfrage, z.B.
nach neuen Wohnungen und Bürogebäuden. Die Baby-Boomer werden erwachsen und
fallen allmählich als Arbeitskraft aus. Und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage
nimmt ab.
Steve Randy Waldman sagt in seinem Blog, dass das Ganze mit der wachsenden
Einkommensungleichheit zu tun hat.
Krugman hingegen glaubt nicht daran, dass die underconsumption (viel zu wenig
Verbrauch) die Ursache sein mag. Die Vertreter der underconsumption-These sagen nämlich, dass die zunehmende
Einkommensungleichheit zu mehr Ersparnissen führt. Die Ersparnisse seien aber
erst nach dem Platzen der Immobilien-Blase stark angestiegen. Bis dahin fielen
die Ersparnisse stetig, erklärt Krugman. Der NYTimes-Kolumnist wirft zugleich die
Frage auf, warum die Vollbeschäftigung nicht wieder hergestellt werden kann, obwohl
die Ersparnisse gemessen an historischen Standards so niedrig sind?
Er vertritt die Ansicht, dass die Antwort mit dem
Handel zu tun hat. In den 1970er und 1980er Jahren lagen die Ersparnisse in den USA relativ hoch. Die
Investitionen waren nicht besonders stark. Trotzdem hatte Amerika Vollbeschäftigung.
Das Handelsdefizit war aber damals nicht so gross wie heute. Und es war in den
1980er Jahren mehr oder weniger ausgeglichen. In der Great Moderation Ära stieg das Leistungsbilanzdefizit auf 3% des
BIP.
Krugman legt daher nahe, dass die Beseitigung des
Handelsdefizits helfen würde, den Nachfrageausfall umzukehren. Die wahrscheinlichste
Möglichkeit, um das Defizit zu reduzieren, wäre ein schwächerer US-Dollar, was
durch niedrige Realzinsen erreicht würde, die wiederum ein höheres
Inflationsziel erfordern würden.
Warum ist aber der Zinssatz (natural interest rate),
der für Vollbeschäftigung sorgt, unter die Null-Marke gesunken? Mit anderen
Worten: Was ist die Ursache für die secular stagnation?
Das Scheitern der Angebotspolitik, Graph: Prof. Heiner Flassbeck in flassbeck-economics
Ein wichtiger Aspekt, der in der amerikanischen
Blogosphäre latent angesprochen, aber nicht ausführlich analysiert wurde, ist
die Entwicklung der Löhne. Wie Werner Vontobel
in einem lesenswerten Kommentar in cash
hervorhebt, sind nicht nur die Mindestlöhne, sondern auch der Medianlohn in
Amerika zu tief. In vielen europäischen Ländern ist das Lohnniveau so tief,
dass dem Unternehmenssektor auch nach Dividenden und Investitionen Jahr für
Jahr hunderte Milliarden Euro übrigbleiben. Das ist das Geld, das die
Zentralbanken und Regierungen wieder in die Wirtschaft zurückpumpen müssen, um
die drohende Depression zu verhindern, argumentiert Vontobel.
In Deutschland zum Beispiel stagnieren die Löhne
mittlerweile seit 15 Jahren. Heiner
Flassbeck erklärt in seinem Buch „Gescheitert“, wie der Lohnverzicht die Beschäftigung in einem einzelnen Betrieb sichern kann. Aber
gesamtwirtschaftlich führt die Entwicklung die Wirtschaft tiefer in eine
Rezession. Die Verkürzung der Arbeitszeit im Kontext mit Lohnverzicht lastet
auf der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und mündet in Deflation.
Flassbeck hat in seinen zahlreichen
lesenswerten Artikeln vor einigen Jahren davor gewarnt: Deutschland verdankt
dem Wettbewerbsvorsprung in der EWU einer Nicht-Lohnerhöhungspolitik.
Die Löhne müssten, um die secular stagnation zu überwinden, entsprechend dem mittelfristigen
Trend der Produktivität (1,5%) plus der Zielinflationsrate der EZB (ca. 2%)
steigen.
Entwicklung der Lohnkosten im Vergleich, Graph: ZKB in DMO im Dezember 2013
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