Samstag, 26. Dezember 2009

Derivate und die Kammer des Schreckens

Ergänzend zu dem vorhergegangenen Eintrag lässt sich der folgende fiktive Fall konstruieren, um etwas mehr Licht in die dunkle Angelegenheiten der Derivate-Geschäfte zu bringen. Die Bank A rechnet mit weiter ansteigenden Immobilienpreisen. Sie ist also bullish auf Immobilienmarkt und baut deshalb eine long-Position auf, um Gewinne zu erzielen. Sie hat aber gleichzeitig Angst, Verluste zu erleiden, falls sich der Markt gegen ihre eigene Wette entwickelt. Die Bank A will daher zugleich eine short-Position eingehen, um die long Position zu hedgen. Das Hedging kostet aber Geld. Denn es gilt immer der Grundsatz „there is no free lunch“. Die Bank A geht jedoch einen Schritt weiter. Sie lässt es sich nicht nehmen, sich auch die Absicherung absichern zu lassen. Das heisst, dass sie die Kosten aus dem Hedging-Geschäft abwälzen will. An wen? An Investoren und/oder die eigenen Kunden, die bereit sind, die neuen derivativen Produkte der Bank A zu kaufen. Die Bank kauft sich dafür vorerst ein CDS als Schutz. Dann kreiert sie eine synthetische CDO, welche wiederum das CDS, das die Bank gekauft hat, weiter verkauft.

Die Bank muss aber dafür vierteljährlich eine Versicherungsprämie an die CDO zahlen. Die synthetische CDO bekommt also regelmässig Prämien dafür, dass sie eine Leistung erbringen muss, falls ein Versicherungsfall (d.h. ein Credit Event, Auslöser wäre in diesem Beispiel ein drastischer Preisabsturz am Immobilienmarkt) vorliegt. Stürzen die Preise am Immobilienmarkt ab, kann die Bank keine Gewinne mehr einstreichen, aber ihre Verluste, falls überhaupt, bleiben wegen der Absicherung äusserst begrenzt. Je nach Höhe der Leerverkäufe kann die Bank A sogar trotzdem immense Gewinne einfahren. Wer verliert? Die Investoren, die der Bank A die neuen Wertpapiere (synthetische CDOs) abgekauft haben. Warum? Weil die Hypotheken, die als Verbriefung für die CDOs gedient haben, „default“ geworden sind oder die Kreditnehmer pleitegehen. Manche Banken hatten jedoch im 5-6-fachen Wert des Nominalwertes der ausstehenden CDOs Absicherungsgeschäfte gegen fallende Preise am Immobilienmarkt abgeschlossen. Der drastische Absturz der Immobilienpreise hat sich daher für short-Sellers (Verkäufer von synthetischen CDOs) extrem gewinnträchtig erwiesen. Dass die Derivateprodukte versteckte Verluste enthalten, die schliesslich zu Tage treten, wie Satyajit Das in seinem ausgezeichneten Buch beschreibt, hat sich auch in diesem Fall bestätigt. Dazu kommt, dass die fehlende Transparenz (ausserbörsliche Märkte ohne Aufsicht) Emittenten der Derivate und Händlern enorme Gewinnmöglichkeiten verschafft. Viel wichtiger ist aber, sich zu vergegenwärtigen, dass solche Aktivitäten vollkommen unproduktiv sind und es keine Wertschöpfung stattfindet. Volkswirtschaftlich ergibt sich also keinen Nutzen.

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