In den USA ist die Arbeitslosigkeit auf 3,9% gefallen. Das ist der niedrigste Stand seit Anfang der 2000er Jahre.
Die Löhne kommen aber trotz des „festen, vollgefüllten Arbeitsmarktes („tight labor market“) nicht vom Fleck. Unter Berücksichtigung der Inflation gingen die Gehaltszahlungen im Juli sogar zurück.
Sowohl Ökonomen an der Wall Street als auch die geldpolitischen Entscheidungsträger der US-Notenbank wähnen sich überrascht.
Unternehmen beklagen den Mangel (*) an qualifizierten Mitarbeitern („worker shortage“).
Um etwas Licht in die Frage zu bekommen, was möglicherweise die Löhne niedrig hält, befragten die Reporter von Bloomberg News Arbeitgeber in drei Branchen, wo die Löhne trotz hartnäckiger Berichte über Arbeitskräftemangel (Bau, Fernverkehr und Kinderbetreuung) niedrig bleiben.
Die Entwicklung der Löhne in den USA, Graph: Bloomberg, Aug 22, 2018
Was sie heraus fanden, ist, dass die Hindernisse, die Löhne vom Abheben zurückhalten, verschieden sind. Und in einigen Fällen scheinen sie sich sogar nicht rasch zu ändern. Immerhin gibt es aber Hoffnungen, dass ein „vollgefüllter Arbeitsmarkt“ das Lohnwachstum fördern dürfte, so der Bericht.
Unternehmen jammern hauptsächlich, kommentiert dazu Neel Kashkari via Twitter.
Wir alle suchen nach einer Erklärung, warum die Nachfrage das Angebot übersteigt, aber nicht im Preis auftaucht. Die Antwort: Occam’s Razor. (**) Die Nachfrage übersteigt (noch) nicht das Angebot. Wie werden wir es wissen? Wenn die Löhne steigen, ergänzt Präsident der Minneapolis Fed mit Nachdruck.
Im Übrigen: Seiner Ansicht nach hat die US-Wirtschaft noch keine Vollbeschäftigung.
David N.F.Bell und David G. Blanchflower unterstreichen in einem aktuellen NBER-Paper (“Underemployment in the US and Europe”) vom August 2018, dass es nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Unterbeschäftigung ist, die den Haupteinfluss auf die Löhne ausübt
Der Verlauf der Arbeitslosigkeit und der Unterbeschäftigung in den USA, Graph: David N.F. Bell and David G. Blanchflower in: "Underemployment in the US and Europe", NBER Paper, Aug 2018
Demnach sind (1) die (anhaltend hohe) Unterbeschäftigung und (2) die „monopsony power“ die Gründe, weshalb die Löhne nicht steigen.
Auch Alan Krueger und Eric Posner hatten im Februar dieses Jahres in einem lesenswerten Artikel („Corporate America is suppressing wages for many workers“) in NYTimes auf „monopsony power“ hingewiesen.
Damit wird die Fähigkeit der Arbeitgeber beschrieben, die Löhne „unter dem wettbewerbsfähigen Niveau der Entlohnung“ zu halten. Die Unternehmen haben heute nicht nur eine Verhandlungsmacht über die Konsumenten, die ihre Güter und Dienstleistungen kaufen, sondern auch über die eigenen Arbeitnehmer, die niedrige Löhne akzeptieren, weil es weniger alternative Beschäftigungsmöglichkeiten gibt oder weil der Wechsel des Arbeitsplatzes kostspielig ist.
Auch Paul Krugman hat einst in seinem Blog bei NYTimes die anhaltende Lohn-Stagnation trotz der fallenden und niedrigen Arbeitslosigkeit mit der „monopsony power“ erklärt.
Ausbildung und Schulung sind sicherlich hilfreich, den Jobwechsel zu erleichtern. Entscheidend ist aber die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, die in einem schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft gestützt werden muss, und zwar vom Staat, mit öffentlichen Investitionen.
(*) Das ist aber eine faule Ausrede. Würden die Arbeitgeber die Löhne erhöhen, fänden sie schnell Mitarbeiter.
(**) Occam’s Razor (Ockhams Rasiermesser-Prinzip) ist das Prinzip, das der Einfachheit den Vorzug gibt: von zwei konkurrierenden Theorien ist die einfachere Erklärung einer Entität zu bevorzugen. Die Idee ist, dass man keine unnötigen Annahmen treffen muss. Die Antwort auf ein Problem ist oft die einfachste. Das ist die Grundlage des methodischen Reduktionalismus und die Anwendungen werden heute häufig in der modernen Strategie und Wirtschaft in die Tat umgesetzt.
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