Mittwoch, 29. August 2018

Warum bleibt die Inflation im Euroraum so lange so niedrig?


Der Internationale Währungsfonds (IWF) veröffentlicht auf dem IMFBlog regelmässig kurze Analysen über makroökonomische Zusammenhänge. 

Im aktuellen Beitrag geht es um die anhaltend niedrige Inflation im Euroraum. Die Frage, die die Ökonomen von IWF aufwerfen, ist, warum die europäische Inflation so lange so niedrig verläuft. 

Die kurze Antwort: Die Niedriginflation im Euroraum ist nicht das Ergebnis einer weltweit niedrigen Inflation. Die Analyse einer Reihe von globalen Variablen wie z.B. der Produktionslücke (output gap), der Inflation im Ausland, der Nicht-Öl-Importe und des nominalen effektiven Wechselkurses liefern keine unterstützenden Beweise. 

Verwenden wir eine Standardversion der Phillips Kurve, hängt die Kerninflation von der Inflation ab; was die Menschen erwarten, wo die Inflation in Zukunft liegt. Und entscheidend sind dabei auch die vergangene Inflation und die Arbeitslosigkeitslücke (unemployment gap), so die Studie.


Niedriginflation im Euroraum, Graph: Internationaler Währungsfonds (IWF) Aug 28, 2018 @IMFnews 


Der ausschlaggebende Grund ist die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, so die IWF-Analyse als Fazit.

Das bedeutet im Grunde genommen, was in der Studie explizit nicht angeschnitten wird, ist die empirische Evidenz, dass die Nachfrage vom Einkommen (nicht von dem Vermögen) abhängt. 

Verfügen die Menschen über wenig Geld, geben sie auch dementsprechend wenig aus.

Die Hauptauslöser für die anhaltend niedrige Inflation im Euroraum sind niedrige Löhne, unsichere Arbeitsplätze und der EU-Kult der rigorosen Sparmassnahmen (namentlich fiscal austerity). 

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die unpopulären angebotspolitischen Patentrezepte der im Euroraum vorherrschenden neoliberalen Agenda angesichts einer strikten Haushaltskonsolidierung zu Lohnkürzungen und zum Rückbau von Sozialleistungen führen.

Eine „schwarze Null“ als haushaltspolitisches Ziel pflegt das Mantra „sparen über investieren“. Das Ziel der Politik der Euro-Rettung von Brüssel und Berlin ist eine „exportgesteuerte Erholung“ der Wirtschaft in Europa. 

Das ist aber ein Trugschluss der Verallgemeinerung (fallacy of composition), wie es hier mehrmals unterstrichen wurde. Die Ausgaben des einen sind nämlich die Einnahmen des anderen. Externe Überschüsse des einen Landes implizieren externe Defizite des anderen Landes. Alle Länder können nicht gleichzeitig (z.B. durch Kostensenkung, sprich: Lohnsenkung) wettbewerbsfähiger werden.

Es ist vor diesem Hintergrund verwunderlich, dass die anhaltend niedrige Inflation im Euroraum für manche Beobachter immer noch ein "Rätsel" darstellt.



Ziele der Geldpolitik im Euroraum, Graph: Peter Praet, EZB, Aug 28, 2018 in Köln


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