Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Erholung der Wirtschaft seit der globalen Rezession (GFC: Global Financial Crisis) von 2008 durch das Sparverhalten des Privatsektors gebremst wird.
Das heisst m.a.W., dass es eindeutig an Nachfrage mangelt. Die privaten Haushalte und die Unternehmen sparen. Und wichtig ist zu betonen, dass Unternehmen mittlerweile zum Netto-Sparer geworden sind.
In einer neuen Forschungsarbeit überprüfen Peter Chen, Loukas Karabarbounis und Brent Neimann die Muster der sektoralen Einsparungen in den vergangenen drei Jahrzehnten für eine grosse Gruppe von Ländern.
Und sie bewerten den Fluss der Unternehmenseinsparungen als „nicht ausgeschüttete Gewinne“. Ersparnisse der Unternehmen, der privaten Haushalte und der öffentlichen Hand ergeben in diesem Zusammenhang das nationale Sparen.
Die Autoren beobachten dabei einen globalen Wandel in der Zusammensetzung der Einsparung - weg von privaten Haushalten ab in Richtung zum Unternehmenssektor.
In der folgenden Abbildung zeigen sie die Ersparnisse der Unternehmen, der privaten Haushalte und des Staates als Bruchteil des globalen BIP.
Finanzierungssalden der Sektoren: Ersparnisse, Graph: The global corporate saving glut in: Voxeu
Was auffällig ist, dass die weltweiten Unternehmenseinsparungen von rund 9% des weltweiten BIP im Jahr 1980 auf fast 14% im Jahr 2015 gestiegen sind.
Die zweite Abbildung zeigt die sektorale Zusammensetzung der Investitionen, die im Gegensatz zu Ersparnissen im Laufe der Zeit relativ stabil verlaufen, wie die Autoren darlegen.
Finanzierungssalden der Sektoren: Investitionen, Graph: The global corporate saving glut in: Voxeu
Was sie dazu betonen, ist, dass der Trend, wie die Unternehmen zum Netto-Sparer wurden, der GFC vorangeht. Das heisst, dass der Hang der Unternehmen zum Sparen statt zum Investieren, bereits mehrere Jahre vor dem Ausbruch der globalen Finanzkrise zurückdatiert.
Die Autoren bekräftigen, dass der Anstieg der Unternehmenseinsparung ein weit verbreitetes Phänomen ist und wahrscheinlich mit strukturellen Veränderungen (z.B. dem Rückgang der Fertigung), eigenartigen Veränderungen einzelner Unternehmen oder Branchen oder Änderungen der Finanzpraktiken der Unternehmen in bestimmten Sektoren oder Ländern nichts zu tun hat.
Die Unternehmenseinsparungen sind nicht verteilte (Bilanzierungs-) Gewinne oder gleichermassen der Teil der Unternehmenswertschöpfung (oder des BIP) der nicht an Steuern, an Arbeitnehmer, an Gläubiger oder an Anteilseigner gezahlt wird, wie die Autoren festhalten.
Daraus lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen, die viel wichtiger sind als die eigenen Schlussfolgerungen der Verfasser der Forschungsarbeit. (*)
Nach dem Ansatz der Finanzierungssalden (sectoral financial balance approach) sind die Einkommen des einen die Ausgaben des anderen. Das heisst, dass auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene income = expenditures ist.
Das Ungleichgewicht im Finanzierungssaldo in einem Sektor muss durch das Gegenteil in einem anderen Sektor ausgeglichen werden, sodass auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene Einkommen gleich Ausgaben sind, wenn wir die Volkswirtschaft in Sektoren (Privatsektor, öffentliche Hand und Ausland) betrachten, wobei das Ausland in der Analyse nicht die gewichtigere Rolle spielt.
Mit anderen Worten muss der andere Sektor, wenn der eine Sektor mehr spart als einnimmt, mehr ausgeben als er einnimmt. Sonst kommt das Wachstum zum Erliegen.
Und die Arbeitslosigkeit verharrt auf einem hohen Niveau, zumal auch die Arbeitnehmer von den steigenden Ersparnissen der Unternehmen negativ tangiert werden, in Form von stagnierenden Löhnen.
Mario Draghi hat heute in einem Vortrag in Frankfurt gesagt, dass in Sachen Inflation kaum die Gefahr von Zweirundeneffekten besteht, weil das Lohnwachstum im Euroraum gedämpft bleibe.
In einem Umfeld hoher Arbeitslosigkeit seien Gewerkschaften darauf gefasst, der Arbeitssicherheit die erste Priorität zuzuteilen und damit Reallohn-Verluste hinzunehmen.
Das bedeutet im Grunde genommen, dass auch der Privatsektor zum Sparen verdonnert ist, weil das Einkommen stagniert, und zum Teil die Schulden abgebaut (deleveraging) werden müssen.
Ohne Lohnwachstum fällt die Güternachfrage zurück. Und die Unternehmen investieren nicht mehr, weil die Umsatzaussichten sich angesichts der Lohnmoderation verschlechtern.
Fazit: Während die Unternehmen (Privatsektor) seit Jahren Netto-Sparer sind, ist es abwegig, auch vom Staat (öffentlicher Sektor) zu verlangen, die Gürtel enger zu schnallen.
Haushaltskonsolidierung (fiscal austerity) ist deshalb in einem schwer angeschlagenen Umfeld der Wirtschaft das falsche Rezept.
Was die Menschen heute brauchen, ist nicht einen ausgeglichenen Haushalt, sondern eine ausgeglichene Wirtschaft. Um Vollbeschäftigung zu erreichen, bedarf es keines Haushaltsüberschusses. Schliesslich sind die Verbindlichkeiten (liabilities) der öffentlichen Hand die Vermögenswerte (assets) des privaten Sektors.
(*) Die Autoren verweisen auf Friktionen bzw. Unvollkommenheiten am Kapitalmarkt wie z.B. Dividendensteuern, Kosten für die Eigenkapitalerhöhung und Einschränkungen in Sachen Schuldenaufnahme, die ihrer Ansicht nach den Geldfluss zwischen Kapitalgesellschaften und privaten Haushalten beeinflussen, was aus meiner Sicht aber nicht überzeugend ist.
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