Fortgeschrittene Volkswirtschaften machen den Löwenanteil der globalen externen Ungleichgewichte aus, berichtet der IMF in einer am Freitag vorgelegten Forschungsarbeit („2017 External Sector Report“).
Seit Mitte der 1980er Jahre beläuft sich der Beitrag der fortgeschrittenen Volkswirtschaften zum globalen Ungleichgewicht auf rund zwei Drittel, etwas weniger als ihr Anteil an der Weltwirtschaft.
Der anhaltende Überschuss der Länder wie z.B. Japan, Deutschland, Korea, der Niederlanden und der Schweiz ist 2016 auf rund 40% gestiegen, etwa das Doppelte ihres Beitrags zum globalen BIP.
Im Zuge der globalen Finanzkrise (GFC: Global Finance Crisis) von 2008-2009 sind die privaten Haushalte und Unternehmen scharf dazu übergegangen, mehr zu sparen.
Der signifikante Übergang des privaten Sektors zum Netto-Sparer wurde zunächst durch mehr öffentliche Ausgaben kompensiert.
Aber von 2010 an hat die in den fortentwickelten Ländern favorisierte Austeritätspolitik (fiscal austerity) die private Kreditaufnahme sozusagen in den Schatten gestellt, berichtet der IWF weiter.
Übermässige Ungleichgewichte im weltweiten Handel (2013-2016), Graph: IMF in: 2017 External Sector Report, July 28, 2017.
Eine Zerlegung von Brutto Ersparnissen und Investitionen zeigt, dass die Überschuss-Länder mehr sparen als investieren, obwohl das Spardifferential grösser ist als das Investitionsdifferential.
Mit der folgenden Abbildung veranschaulicht der IWF, dass die wachsenden Ersparnisse des privaten Sektors seit 2010 nicht mehr durch erhöhte Ausgaben des öffentlichen Sektors aufgefangen werden.
Während der private Sektor zum Netto-Sparer wurde, hält sich auch der öffentliche Sektor mit Ausgaben zurück, wegen der Austeritätspolitik, Graph: IMF in: 2017 External Sector Report, July 28, 2017.
Der Anstieg der Ersparnisse im Unternehmen-Sektor folgt einem langfristigen Trend, während die privaten Haushalte v.a. in Folge der GFC die Ersparnisse wesentlich erhöht haben, erklären die Verfasser der IWF-Analyse.
Begründet wird das Argument mit dem Hinweis auf „strukturelle Faktoren“ (z.B. Demographie, Anstieg des Anteils der immateriellen Vermögenswerte an Investitionen usw.).
Privatsektor: Ersparnisse versus Investitionen, Graph: IMF in: 2017 External Sector Report, July 28, 2017.
Die Forschungsergebnisse legen nahe, dass die übermässigen Überschüsse bestehen bleiben, wenn sie nicht angegangen werden, so der IWF als Fazit.
Was die Schlussfolgerung des IWF leider nicht erwähnt, ist aber die Tatsache, dass die Stagnation anhalten und zugleich auch Hysterese-Gefahr drohen würde, wenn der öffentliche Sektor nicht das Heft in die Hand nähme, um Investitionen in produktive Projekte zu erhöhen.
Denn woher sollen sonst die Nachfrage und das Wachstum kommen, wenn die privaten Haushalte sparen und auch die Unternehmen die Ausgaben einschränken (Netto-Sparer) und die öffentliche Hand an Austerität gebunden bleibt?
PS: Ein interessanter Aspekt ist ferner, zwischen einer realwirtschaftlichen und geldwirtschaftlichen Modellierung des Finanzsystems zu unterscheiden.
Während im realwirtschaftlichen Modell das Sparen die Voraussetzung für das Investieren ist, weil es in diesem Modell kein Geld gibt, hat das Sparen der Haushalte im geldwirtschaftlichen Modell keinen direkten Effekt auf den Finanzmarkt.
Das Denken im güterwirtschaftlichen Paradigma führt dazu, dass prominente Ökonomen wie Ben Bernanke und Mario Draghi die weltweit niedrigen Zinsen mit einem steigenden Sparen der privaten Haushalte erklären, wie Peter Bofinger in einem lesenswerten Beitrag (“Excess saving and low interest rates”) am Samstag in Voxeu erläutert.
Im güterwirtschaftlichen Modell stehen die Sparer im Zentrum, im geldwirtschaftlichen die Investoren. So kann sich der Leser besser vorstellen, warum manche Ökonomen wider besseren Wissens am harschen Kurs der Austerität festhalten und dadurch dazu beitragen, dass die Beschäftigung sich trotz des Rückgangs der offiziellen Arbeitslosenquote nicht erholt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen