Sonntag, 15. Oktober 2017

10 Jahre Finanzkrise und Wirtschaft in der Liquiditätsfalle

Die Great Recession von 2007 mag weit weniger schwerwiegend sein als die Great Depression von 1929. Aber die Krise ist noch nicht vorbei.

Gemessen an Beschäftigung, Einkommen und Output leidet die Wirtschaft immer noch.

Die Wirtschaft wird sich mit Bezug auf das BIP je Erwerbstätigen per 2019 in den 12 Jahren seit dem Beginn der Great Recession weniger erholt haben als sie sich in den 12 Jahren seit dem Beginn der Great Depression erholt hat.

Das ist die schreckliche Botschaft, die von Olivier Blanchard und Larry Summers auf der PIIE-Konferenz am Donnerstag vermittelt wurde.

David Leonhart von NYTimes hat die Daten eingesammelt und die folgende Abbildung zusammengestellt.

Man denke kurz darüber nach, dass das BIP die gesamtwirtschaftliche Leistung eines Landes misst. Es geht m.a.W. um den Lebensstandard der Menschen. Der Produktionsrückgang ist also für viele Privathaushalte einschneidend.

Aufgrund der wachsenden Prominenz von Ungleichheit bedarf es daher einer Reihe von angemessenen wirtschaftspolitischen Massnahmen, v.a. in fiskalpolitischer Hinsicht. 

Denn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist im Allgemeinen von grosser Bedeutung, wie Blanchard und Summers unterstreichen.


Ein Vergleich: Great Depression vs Great Recession, Graph: David Leonhart in: “We are about to fall behind the Great Depression”, Oct 12, 2017, NYTimes



Die beiden Ökonomen bekräftigen ferner die zentrale Bedeutung des Finanzwesens für die Wirtschaft. Die Warnungen in diesem Sinne wie von Hyman Minsky wurden aber in den vergangenen Jahren geflissentlich ignoriert.


Niedrig-Zinsen, Graph: Olivier Blanchard and Larry Summers in: “Rethinking Macroeconomic Policy”, PIIE Conference

Heute lässt sich beobachten, dass (1) die Zinsen immer noch in einer Liquiditätsfalle (seit 10 Jahren) stecken, (2) die Unterbeschäftigung in Europa auf einem hohen Niveau verharrt und die (3) Produktion (output) unterhalb (output gap) des Vorkrisen-Trends verbleibt.

Da die konventionelle Geldpolitik an Zugkraft verliert, wenn die nominalen Zinsen auf der Nullzins-Grenze (zero lower bound) aufprallen, muss die Fiskalpolitik zum Einsatz kommen, so Blanchard und Summers als Fazit.

Angesichts des niedrigen Gleichgewichtszinssatzes (neutral real interest rate) ist dazu auch der Spielraum vorhanden.

Wir können heute den gewohnten Gang nicht gehen.

Was wir aus der gegenwärtigen Krise lernen, ist, dass die Volkswirtschaften sich nicht selbst stabilisieren; sie können implodieren und es besteht damit eine Hysterese-Gefahr.

Notwendig ist deshalb eine starke proaktive und reaktive Wirtschaftspolitik: Geld-, Fiskal- und Finanz-Politik.

In vielerlei Hinsicht bedeutet die Abhilfe von Blanchard und Summers „Zurück in die Zukunft“: die keynesianische Wirtschaftskonzeption.






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