Das ist eine Frage, die in letzter Zeit öfters aufgeworfen wird. Und es ist angesichts der schwachen Erholung der Wirtschaft in den vergangenen Jahren nicht verwunderlich, dass die Zweifel an der herrschenden Lehre der Volkswirtschaft wachsen.
Die vorrangige Aufgabe, die die Zentralbanken haben, ist, die Preisstabilität zu gewährleisten.
Aber es gelingt nicht, zumindest seit dem Ausbruch der Finanzkrise (GFC) von 2007.
Die EZB beispielsweise unterbietet den eigenen Zielwert der Inflation (ca. 2%) seit März 2013. Das sind, sage und schreibe, rund vier Jahre.
Vergangene Woche hat das Peterson Institute eine Reihe von renommierten Ökonomen eingeladen, um über „Rethinking Macroeconomic Policy“ zu referieren.
Die Einsichten waren unterschiedlich, wie man den beigelegten lesenswerten Forschungsarbeiten und aufschlussreichen Diskussionen per Video-Aufnahmen entnehmen kann.
Während beispielsweise Olivier Blanchard glaubt, dass die Inflationsrate auf den angepeilten Zielwert klettern würde, „wenn wir die Zinsen lange genug niedrig halten würden“, vertritt Lael Brainard die Meinung, dass die „Phillips Kurve als Teil des Inflationsprozesses nicht von Bedeutung ist“, wie Matthew C. Klein von FTAlphaville kurz zusammenfasst.
Das Preisniveau seit 2008 versus der 2% Zielwert der Inflation, Graph: Ben Bernanke, Oct 12, 2017
Die erste Abbildung zeigt den Verlauf der Kerninflation (core inflation) seit dem vierten Quartal 2008, wo die Fed Funds Rate effektiv die Null-Grenze erreicht hat, was laut Bernanke den Anfang der Nullzins-Grenze (zero lower bound) markiert. Damit liegt die Inflation seit 2008 meistens unterhalb des Inflation-Zielwertes von 2%.
Das versprochene „Umdenken“ („rethinking“) auf der Konferenz war aber schrittweise, ja sogar marginal, bemerkt Martin Sandbu in seiner Kolumne bei FT dazu.
Es ist unschwer zu sehen, dass es eine Krise in Sachen „Zentralbank Theorie und Praxis“ gibt. Denn die westlichen Volkswirtschaften sind weit davon entfernt, wo die Zentralbanken sie heute gern gesehen hätten.
Auf grosses Echo gestossen ist dabei Ben Bernankes Vorschlag, statt eine im Voraus festgelegte Zielinflationsrate anzustreben, ein Inflation-Niveau (inflation price-level targeting) anzupeilen, aber nur, wenn die nominalen Zinsen an die Nullzins-Grenze (zero lower bound) geraten.
Eine auf das Preisniveau ausgerichtete Zentralbank würde demnach versuchen, das Preisniveau auf einem Wachstumspfad zu halten, der beispielsweise um 2% pro Jahr wächst. M.a.W. würde die Zentralbank mit price-level-targeting (PLT) daran arbeiten, die lange durchschnittliche Inflationsrate auf 2 Prozent zu verankern.
Die kumulierte (jährliche) Inflation seit 2008, Graph: Ben Bernanke, Oct 12, 2017
Die zweite Abbildung zeigt das anhaltende Unterlaufen der Inflation gegenüber der Zielinflationsrate von 2%, was zu einem anhaltenden Unterschreiten des gesamten Preisniveaus im Verhältnis zum Trend führt.
Das Preisniveau ist damit niedriger als es der Fall gewesen wäre, wenn die Inflation auf dem Zielwert von 2% der Fed geblieben wäre.
Simon Wren-Lewis hingegen redet in seinem Blog nicht um den heissen Brei und trifft die Nagel auf den Kopf:
Wenn die Geldpolitik an der Nullzins-Grenze an Zugkraft verliert, steht uns ein weiteres Instrument zur Verfügung: Fiskalpolitik.
Die Zentralbanken im Jahr 2009 hätten einfach erklären können, dass „wir unser Hauptinstrument zur Kontrolle der Wirtschaft verloren haben. Es gibt zwar andere Instrumente, die wir einsetzen können. Aber die Auswirkungen sind weitgehend unbekannt, sodass sie völlig unzuverlässig erscheinen.
Es gibt einen viel besseren Weg, die Wirtschaft in dieser Situation anzukurbeln. Und das ist Fiskalpolitik. Es bleibt natürlich das Vorrecht der Regierung, ob sie dieses Instrument nutzen will. Bis wir sehen, dass die Wirtschaft sich ausreichend erholt hat, damit wir die Zinsen erhöhen können, ist die Wirtschaft nicht mehr unter unserer Kontrolle.“
Die Kritik daran, dass die Zentralbanken ihren Auftrag überschreiten und den Politikern sagen würden, was zu tun ist, ist laut Wren-Lewis fehl am Platz. Schliesslich verbringen die EZB-Mitglieder die meiste Zeit damit, den Politikern das Gegenteil zu erzählen.
Das Problem ist, dass die Zentralbanken in Theorie und Praxis bisher davon ausgegangen sind, dass es so etwas wie „lower bound“ für die Zinsen nicht gibt. Wie die Finanzkrise und die Folgen zeigen, dass es sie doch gibt.
Das Fazit lautet daher, dass die Zentralbanken jetzt endlich beginnen müssen, die Nullzins-Grenze wahrzunehmen und die erforderlichen Massnahmen und Instrumente dementsprechend anzupassen.
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