Donnerstag, 14. September 2017

Warum der Staat grösser wird


Vor rund zwei Wochen hat Präsident Trump sich mit dem US Kongress bis zum 15. Dezember auf eine Zwischenfinanzierung geeinigt.

Zur Erinnerung: In den 1980er Jahren kam es in den USA mehrfach zu Finanzierungsengpässen.

Aber die Schuldenobergrenze wurde jedes Mal angehoben. 

Der Haushaltsstreit im Schatten eines erzwungenen Regierungsstillstands (government shutdown) ist im Grunde genommen ein Nebenschauplatz des anhaltenden politischen Spielballs über die Grössenordnung des Staates bzw. der Staatsausgaben.

Michael Paetz erinnert uns in einem lesenswerten Beitrag im Blog Makroskop daran, dass es „Big Government“ war, der nach dem Finanzcrash von Oktober 1929 dazu beitrug, anhand von verschiedenen Massnahmen (wie z.B. der Einführung von Mindestlohn, der Regulierung der Finanzmärkte und öffentlicher Beschäftigungsprogramme) den Arbeitsmarkt zu räumen.

Die von John Maynard Keynes im Jahr 1936 gelieferte „General Theory“ war die theoretische Basis von New Deal des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt (von 1933 bis 1945).

Was dabei nicht vergessen werden darf, ist die Tatsache, dass ein Grossteil der amerikanischen Infrastruktur aus jener Zeit zur Verfügung gestellt wurde.


Die Kosten im Bereich Gesundheit und Ausbildung steigen rascher als das BIP-Wachstum, Graph: Larry Summers in WaPo, Sept 12, 2017.


Die Great Depression in den 1930er Jahren wurde m.aW. mit staatlichen Interventionen des Kapitalismus bekämpft.

Heute hingegen steht eine harsche Austeritätspolitik im Zentrum der Wirtschaftspolitik, während die Zentralbanken sich darum bemühen, der Great Recession mit einer unkonventionellen Geldpolitik (genannt QE-Policy) entgegenzuwirken.

Das heisst: damals Ausgabenerhöhungen, heute Ausgabenkürzungen.

Obendrauf werden heute sogar die Löhne gekürzt, um Kosten zu sparen, obwohl es mit der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage hapert, was nichts anderes heisst, dass die Einkommen der privaten Haushalte verringert werden. 

Kein Wunder, dass die Unternehmen sich wegen der sich verschlechternden Umsatzaussichten mit Investitionen zurückhalten.

Vor diesem Hintergrund schreibt Larry Summers in seiner Kolumne bei Washington Post, dass die „Ausgewogenheit des Drucks aus dem wirtschaftlichen Wandel zu einer Ausweitung des Bundeshaushalts im Verhältnis zum BIP führen werde“.

Der ehemalige US-Finanzminister (von 1999 bis 2001) im Kabinett von Bill Clinton unterstreicht mit Nachdruck, dass er damit nicht einverstanden ist, dass der Staat in der Vergangenheit zu gross war.

Es sei aber natürlich möglich, zu argumentieren, dass die Staatsausgaben seit langer Zeit übertrieben gestiegen sind. 

Er will jedoch nicht über die richtige Grössenordnung des Staates diskutieren. Nur, wenn man die wirtschaftliche Entwicklung nüchtern beobachtet, deutet alles auf einen grösseren Staat (larger government) in Zukunft hin, so der an der Harvard University tätige Wirtschaftsprofessor.

Dazu liefert Summers vier Argumente und sehenswerte Abbildungen.

Sein drittes Argument betrifft den Verlauf der relativen Preise im Bereich Gesundheit und Ausbildung. 

Die Daten aus dem Verbraucherpreisindex zeigen, dass die relativen Preise eines Fernsehers und eines in einem Krankenhaus verbrachten Tages seit den 1980er Jahren um einen Faktor von 100 gestiegen sind.

Die Kosten im Gesundheitswesen und in Ausbildung sind schneller gestiegen als das BIP. Der Anstieg der relativen Preise erfordert daher, was die Ausgaben der öffentlichen Hand betrifft, einen grösseren Staat.

Sein zweites Argument betrifft die inzwischen erheblich gestiegene Ungleichheit. Wenn die Regierung die Aufgabe hat, die Ungleichheit anzugehen, führt kein Weg daran vorbei, dass der Staat wachsen muss.

Summers erstes Argument bezieht sich auf die alternde Bevölkerung. Der Anteil der erwachsenen Bevölkerung über 65 wird von 12,5% im Jahr 1990 auf 19% im Jahre 2030 gestiegen sein. Eine Erhöhung des Rentenalters verändert das grundlegende Bild nicht.


Die Militärausgaben von China, Russland und Iran als prozentualen Anteil an US Verteidigungsausgaben; der bisherige Trend ist steil steigend, Graph: Larry Summers in WaPo, Sept 12, 2017.


Beim vierten Argument geht es um Verteidigungsausgaben. Wie die Abbildung nahelegt, ist Amerika im Zugzwang, die relativen Ausgaben zu einem gewissen Grad an die der potentiellen Gegner anzupassen, schlussfolgert Summers.

Fazit: Ein Downsizing für den US-Staat scheint nicht opportun.

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