Freitag, 25. November 2011

Wir sind das 99,9 Prozent

„Wir sind das 99,9 Prozent“ ist ein grossartiges Motto. Es definiert das Problem richtig: Mittelschicht gegen Elite (im Gegensatz zu Mittelschicht versus Arme). Und es kommt auch gegen die allgemeine, aber falsche Vorstellung weiter, dass die zunehmende Ungleichheit in erster Linie damit zu tun habe, dass die gut ausgebildeten es besser hätten als die weniger gut ausgebildeten. Die grossen Gewinner in diesem Gilded Age (Vergoldetes Zeitalter) sind eine handvoll sehr reiche Leute, nicht Uni-Absolventen im Allgemeinen, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Freitagskolumne („We are the 99,9%“)  in NYT.

Wenn überhaupt, der 99%-Slogan zielt zu niedrig. Ein grosser Teil der Gewinne des obersten 1% ging sogar tatsächlich zu Gunsten des obersten 0,1%: das reichste Tausendstel der Bevölkerung.

Und während die Demokraten im Grossen und Ganzen anstreben, dass die Super-Elite zumindest einen Beitrag zum Abbau des langfristigen Haushaltsdefizits leistet, wollen die Republikaner die Steuern für die Super-Elite senken, auch wenn dabei die Social Security, Medicare (staatlicher Gesundheitsdienst für Rentner über 65) und Medicaid (staatlicher Gesundheitsdienst für arme Leute) im Namen des Fiskaldisziplins gekürzt werden sollen, erklärt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.

Warum befürworten die Republikaner weitere Steuersenkungen für die Reichen, während sie vor Haushaltsdefizit warnen und drastische Kürzungen der Sozialversicherungsprogramme verlangen?

Nun, abgesehen vom Ruf des „Klassenkampfes“, wenn immer auch solche Fragen aufgeworfen werden, ist die übliche Antwort, dass die Super-Elite Arbeitsplätze schafft. Das ist aber eine schlechte Wirtschaftspolitik.

Wofür ist das 0,1 Prozent? Sehr wenige von ihnen sind Steve-Jobs ähnliche Innovatoren. Die meisten davon sind Unternehmen-Bonzen und Geschäftemacher im Finanzsektor. Eine aktuelle Analyse hat ergeben, dass 43% der Super-Elite Führungskräfte bei nicht-finanz-Unternehmen sind. 18% davon sind im Finanzwesen und weitere 12% sind Rechtsanwälte oder im Immobiliensektor. Und diese sind nicht Berufe, um es milde auszudrücken, in denen es eine klare Beziehung zwischen dem Einkommen und dem wirtschaftlichen Beitrag gibt.

Die Vergütung von Führungskräften is berühmt dafür, dass sie durch die Vorstände festgelegt werden, die von genau den selben Leuten ernannt werden, deren Lohn sie bestimmen. Leistungsschwache CEOs bekommen immer noch üppige Gehaltsschecks. Selbst gescheiterte und gefeuerte Führungskräfte erhalten oft Millionen, wenn sie durch die Tür gehen, schildert Krugman.

Unterdessen zeigt die Wirtschaftskrise, dass ein Grossteil des scheinbaren Wertes, den die moderne Finanzwirtschaft erstellt, eine Fata Morgana war. Die scheinbar hohen Rendite vor der Krise reflektierten einfach eine erhöhte Risikobereitschaft: Risiko, welches v.a. nicht von den Geschäftemachern (wheeler-dealer) selbst getragen wurde, sondern von naiven Investoren oder von Steuerzahlern, die am Schluss die Dummen waren, wenn alles schief ging.

Soll also das 99,9% Prozent das 0,1 Prozent verabscheuen? Nein, überhaupt nicht. Aber sie sollen alle Propaganda ignorieren, was die Schaffung von Arbeitsplätzen betrifft und fordern, dass die Super-Elite deutlich mehr Steuern zahlt, fasst Krugman als Fazit zusammen.

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