Samstag, 8. Mai 2010

James K. Galbraith: Die Rolle des Betrugs in der Finanzkrise

James K. Galbraith ist am 4. Mai vor dem „Unterausschuss für Kriminalität“ erschienen. Bei seiner Aussage ging es hauptsächlich um die Rolle, die der Betrug in der Finanzkrise gespielt hat. Professor Galbraith, University of Texas, Austin sagte, dass er aus einem in Ungnade gefallenen Beruf rede. Die Wirtschaftstheorie, die seit den 1980er Jahren gelehrt wird, ist kläglich gescheitert, die Kräfte hinter der Finanzkrise zu verstehen, erklärte Galbraith. Ökonomen, die sich auf die Konzepte wie „rationale Erwartungen“, „Marktdisziplin“ und die „Theorie der effizienten Märkte“ gestützt haben, haben argumentiert, dass die Spekulation die Preise stabilisieren würde. Die Verkäufer würden handeln, um ihren Ruf zu schützen, so dass „caveat emptor“ geltend gemacht werden kann. Der weit verbreitete Betrug könnte daher nicht auftreten. Nicht alle Ökonomen glaubten daran. Aber die meisten taten es, betonte Galbraith. Aus diesem Grund finde die Studie des Finanzbetrugs wenig Beachtung, so Galbraith. Es bestehen praktisch keine Forschungsinsitutionen. Zusammenarbeit zwischen Ökonomen und Kriminologen ist selten. In den führenden Abteilungen gibt es nur wenig Spezialisten und nur sehr wenige Studenten. Wirtschaftswissenschaftler haben die Rolle des Betrugs in jeder Krise, die sie untersucht haben, untergespielt, einschliesslich „Savings & Loan“-Debakel, hob Galbraith hervor.

Das gilt auch für die Übergangsphase Russlands, Asien-Krise und die „dot-com“-Blase. Es gibt aber Ausnahmen, erklärt Galbraith: (1) Der berühmte Artikel (1993) von George Akerlof und Paul Romer mit dem Titel „Looting. Bankruptcy for Profit“, (auf Deutsch „Raub. Konkurs für Gewinn“), (2) William K. Black, der Kriminologe-Ökonom von University of Missouri Kansas City ist ein führender Analyst des systematischen Zusammenhangs zwischen der Wirtschaftskriminalität und der Finanzkrise. Prof. Black verweist darauf, dass die Bilanzfälschung eine sichere Sache ist, wenn man die Institution, an der man beteiligt ist, unter Kontrolle hat. Sein Buch: „The best way to rob a bank is to own one“, (auf Deutsch „Der beste Weg, um eine Bank auszurauben, ist, eine zu besitzen“). Die Erfahrung aus der „Savings & Loan“-Krise lehrt, dass Unternehmen, die für einen expliziten Zweck übernommen wurden, ausgeschalt und ausgeblutet worden sind. Das wurde im Gericht festgestellt: Es waren über tausend Kapitalverbrechen, die im Vorfeld der Verurteilungen geschehen sind. Formale Analyse sagt uns, dass die Regel-Betrüge (control frauds) bestimmten Mustern folgen. (I) Sie wachsen schnell, berichten über hohe Rentabilität, sie werden von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zertifiziert und sie bauen neue Unternehmen in den Märkten auf, die vorher als zu riskant für ehrliche Unternehmen galten. „Im Finanzsektor nehmen sie die Form von entspannten, nein, entkernten Underwriting an, kombiniert mit der Fähigkeit, die schlechten Groschen an den grössten Trottel zu reichen“, beschreibt Galbraith den Verlauf der Regel-Betrüge. (II) Die Komplexität des Hypotheken-Finanzsektors vor der Krise unterstreicht ein weiteres charakteristisches Merkmal des Betrugs, hält Galbraith fest. In dem System, das entwickelt wurde, lagen die ursprünglichen Hypotheken-Dokumenten in den Aufzeichungen des Darlehensoriginators begraben. Viele davon wurden seitdem entweder untergegangen oder übernommen. Das heisst, dass diese Aufzeichnungen (Einträge), wenn genau überprüft würde, das Ausmass der fehlenden Unterlagen, missbräuchlichen Praktiken und des Betrugs zeigen würden, erläutert Galbraith. Als Subprime-Hypotheken gebündet und verbrieft wurden, haben die Rating-Agenturen versagt, die zugrunde liegenden Darlehen auf Qualität zu überprüfen. Stattdessen haben sie statistische Modelle ersetzt, um Bewertungen zu generieren, welche die RMBS für die Investoren akzeptabel machten, so Galbraith. Wenn man davon ausgeht, dass die Preise im Immobilienmarkt immer steigen, dann folgt daraus, dass ein von Vermögenswerten besichertes Darlehen immer refinanziert werden kann. Daher spielte die tatsächlichen Konditionen eines Kreditnehmers keine Rolle, erklärt Galbraith. (III) Ein drittes Element im giftigen Bräue war ein Trugbild einer Versicherung, die vom Markt für Credit Default Swaps gestellt worden ist. Sie generieren Cash-Flow für den Emittenten, bis das Kreditereignis eintritt, beschreibt Galbraith. Eine Sicherheit ist ein Vertrag im Rechtssystem. Sie kann nur so gut sein wie das Rechtssystem, das dahinter steht. Manche Betrüge sind unvermeidbar, aber in einem funktionierenden System müssen sie selten vorkommen. Sie müssen als ein kleines Problem berücksichtigt werden. Wenn aber Betrüge oder auch nur die Wahrnehmung von Betrügen anfangen, das System zu beherrschen, dann gibt es keine Grundlage für einen Markt im Wertpapierbereich, erklärt Galbraith. Sie werden zum Müll. Regel-Betrügerein scheitern am Ende immer. Das Scheitern des Unternehmens bedeutet aber nicht, dass der Betrug scheitert: Die Täter laufen öfters als reich davon. Im Kern war die Finanzkrise ein Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit Amerikas, ist Galbraith überzeugt. In dieser Situation ist das Land existenziell bedroht. Entweder muss das Rechtssystem seine Arbeit tun. Oder das Marktsystem kann nicht wiederhergestellt werden. Es muss eine sorgfältige, transparente, wirksame und radikale Reinigung des Finanzsektors und daher auch von öffentlichen Beamten, die fehlgeschlagen haben, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen, geben, schlussfolgert Galbraith.

Hat tip Economist’s View.

1 Kommentar:

Peter Bretscher hat gesagt…

danke, excellente Darstellung - Traurig (aber erhellend) für die Leute, die in der realen Wirtschaft ihr Einkommen verdienen und in einem solchen System ihr Erspartes anlegen müssen.