Montag, 24. Mai 2010

Monetisierung von Staatsschulden

Regierungen können „deficit spending“ (erhöhte Staatsausgaben zur Konjunkturbelebung in Zeiten wirtschaftlicher Depression) finanzieren, indem sie Anleihen ausgeben oder Geld drucken. In den meisten Ländern steuern Zentralbanken das Geldangebot. In den USA ist das Federal Reserve System (Fed) mit dieser Aufgabe betraut. Das bedeutet, dass das US-Finanzministerium (Treasury) nur eine Option für die Finanzierung von „deficit spending“ hat, bemerkt Daniel L. Thornton in einem lesenswerten Essay („Monetizing the Debt“) auf der Internetseite der Fed St. Louis. Natürlich könnte die Regierung „deficit spending“ finanzieren, wenn die Zentralbank Geld schafft, indem sie Staatsanleihen aufkauft. Angenommen kauft die Fed staatliche Wertpapiere. Das Schatzamt würde Zinsen auf die Staatspapiere zahlen. Die Fed könnte im Gegenzug die Zinserträge an das Schatzamt zurückschicken. Die Fed würde dadurch effektiv deficit spending finanzieren, indem sie Geld druckt. Die Regierung könnte die Anleihen an die Öffentlichkeit verkaufen und die Fed würde die öffentlichen Schuldscheine, die von der Allgemeinheit gehalten werden, in Geld austauschen.

Manche Analysten nennen diesen zweistufigen Prozess „Monetisierung der Schulden“. Thornton argumentiert aber, dass diese Definition von „Monetisierung der Schulden“ zu eng gefasst und uninteressant ist. Er macht eine interessantere und ökonomisch relevante Perspektive geltend. Die Fed müsste (1) nicht US-Treasuries aufkaufen, um Staatsschulden zu monetisieren, und die Monetisierung der Schulden (2) hänge entscheidend von dem von der Fed verfolgten Zweck ab. Die Idee, dass die Fed Staatsschulden durch den Austausch von Geld für Staatspapiere monetisiere, sei laut Thornton zu eng, da die Fed die Geldpolitik in erster Linie durch ihre Offenmarktgeschäfte, d.h. den Kauf und Verkauf von Wertpapieren ausführt. Kauft die Fed Wertpapiere, steigt die monetäre Basis. Verkauft sie Wertpapiere, sinkt die monetäre Basis (Geldbasis). „Falls „Monetisierung der Schulden“ als Konvertierung der Staatsschulden ins Geld definiert wird, dann gäbe es keinen Grund zu fragen, ob die Fed die Schulden monetisiert hat. Die Antwort wäre klar: Ja, jedes Mal, wenn die Fed Staatsbonds erwirbt“, erklärt Thornton. Das Ziel der Fed ist aber, wie die meisten anderen Zentralbanken, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern und die Preisstabilität zu gewährleisten. In dem Prozess, um dieses Ziel zu erreichen, expandiert das Geldangebot im Lauf der Zeit mit den Bedürfnissen einer wachsenden Wirtschaft, so Thornton. Während die Fed Massnahmen trifft, um das Geldangebot zu erhöhen, würde sie in der Tat „deficit spending“ finanzieren, indem sie Geld druckt, was aber nicht Fed’s Absichten entspricht. Deswegen wäre es nicht richtig, zu behaupten, dass die Fed die Schulden monetisiert, argumentiert Thornton weiter. Seiner Ansicht nach sollte die Definition der „Schulden-Monetisierung“ auf Fed’s Motiven zur Erhöhung des Geldangebots basieren. Die Fed hat z.B. während des Zweiten Weltkriegs ein exklusives Abkommen mit dem Schatzamt geschlossen, um die Kriegskosten zu finanzieren, erklärt Thornton. Die Fed habe dann eine hohe Menge an Staatspapieren gekauft, um einen Anstieg der Zinsen zu unterbinden. Die Aktion habe die monetäre Basis und das Geldangebot angehoben. Nach dem Ende des Kriegs kamen die Fed und das Schatzamt zu einer Übereinstimmung, die Unabhängigkeit der US-Notenbank per Gesetz (04. März 1951) festzulegen. Damit bekam die Fed die Freiheit, das Geldangebot zu kontrollieren. Dieses Beispiel mag also helfen, die Aspekte der Motivation versus Massnahmen, die die Fed trifft, zu unterscheiden. Wenn die Fed ausschliesslich zur Erreichung ihrer Ziele von Preisstabilität und nachhaltigem Wirtschaftswachstum Staatsanleihen kauft, dann ist es keine Monetisierung der Schulden, hält Thornton fest. Die Fed will also mit dieser Aktion nicht die Staatsbonds in den Händen der Öffentlichkeit reduzieren, sondern für ein angemessenes Wachstum der Geldmenge sorgen, im Einklang mit den Zielen der Preisstabilität und dem maximalen Wirtschaftswachstum. Es ist jedoch schwierig, diese Definition einsatzfähig zu machen. Da (a) Unsicherheit über die primäre Motivation und den Zeitpunkt der Fed-Interventionen herrscht, und (b) die Geldbasis steigt, wann immer die Fed Vermögenswerte (nicht nur Staatspapiere) kauft. Der einzige effektive Weg, um festzustellen, ob die Fed (oder eine andere Notenbank) Schulden monetisiert, ist der Vergleich ihrer Performance mit ihren erklärten Zielen, schlussfolgert der Ökonom. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass es desto leichter ist, je explizierter eine Zentralbank ist, was ihre Ziele betrifft, um zu bestimmen, ob eine Monetisierung der Schulden vorliegt oder nicht.

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