Montag, 16. Juli 2018

Warum ist die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen in den USA höher als in Europa?


Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit werden von Volkswirten genau beobachtet, da es sich dabei um Referenz-Zinssätze (benchmark) handelt, die alle Arten von langfristigen Krediten für Verbraucher und Unternehmen betreffen.

In der Regel bewegen sich die internationalen Renditen zusammen, aber nicht immer.

Was auffällt, ist, dass die Rendite der 10-jährigen US-Treasury Bonds (10y UST) seit 2014 im Vergleich zu den Renditen der anderen Staatsanleihen z.B. aus Deutschland, der Schweiz, Grossbritannien und Kanada stärker gestiegen ist und alle übertrifft.

Warum? Eine neue Analyse der Economic Research Abteilung der Fed St. Louis befasst sich genau mit dieser Frage und präsentiert eine vernünftige Schlussfolgerung.

Die wichtigsten Faktoren, die die langfristigen Renditen beeinflussen, sind die erwartete langfristige Inflationsrate und die erwartete langfristige reale Wachstumsrate der Wirtschaft.


Der Verlauf der Rendite der 10-jährigen Staatsanleihen im Vergleich, Graph: St. Louis Fed, July 6, 2018


Wenn die Anleihekäufer eine höhere Inflation oder ein höheres reales Wirtschaftswachstum erwarten, werden sie in Zukunft höhere Zinssätze erwarten und daher eine höhere Verzinsung für die Anleihen, die sie heute kaufen, fordern.

Die Anleiherenditen hängen aber auch von der Unsicherheit über diese Faktoren ab, sodass die Volatilität der erwarteten Inflation davon tangiert wird. Diese Variablen sind aber schwieriger zu messen und entfalten i.d.R. geringere Auswirkungen.

Darüber hinaus hängen die Anleiherenditen auch davon ab, wie leicht es ist, die Anleihen zu verkaufen, was als Liquiditätsprämie (liquidity premium) bezeichnet wird und ob eine Ausfall-Gefahr (default) besteht. 

Bemerkenswert ist, dass die sog. Breakeven-Sätze der US-Staatsanleihen um etwa 30 Basispunkte (0.3%) höher notieren als der Durchschnittswert der vergleichbaren Angaben der ausländischen Staatsanleihen.

Was allerdings auffällig, ist, dass diese Lücke bei den Inflationserwartungen seit 2014 unverändert ist. Das heisst, dass der relative Anstieg der US-Renditen im Vergleich zu den Renditen in anderen Industrieländern wahrscheinlich nicht darauf zurückgeführt werden kann.


Der Verlauf der Rendite der Inflationserwartungen gemessen von Breakeven-Sätzen im Vergleich, Graph: St. Louis Fed, July 2018


Ein Faktor, der zu den höheren Renditen beitragen könnte, ist ein höheres relatives erwartetes Wachstum in den USA im Vergleich zu den anderen Ländern in der Stichprobe.

Tatsächlich prognostiziert der IWF für die USA in den Jahren 2018-23 ein höheres Wachstum als für die anderen Länder: 2,02% vis-à-vis 1,52%.

Ferner sagt der IWF für die USA ein deutlich höheres Haushaltsdefizit als Anteil am BIP als der Anteil der übrigen Länder in der Stichprobe: 5,43% bzw. 0,50%.

Zusätzlich zu den oben genannten Faktoren verfügen die EZB, BoJ und BoE noch über ein aktives Anleihe-Kaufprogramm, während die Fed im Oktober 2014 damit aufgehört hat, am offenen Markt Anleihen zu kaufen.

Fazit: Es scheint so, dass eine Kombination von höher erwarteten Inflations- und Wachstumsraten sowie Haushaltsdefiziten und möglicherweise einem Beitrag von Vermögenswerte-Kaufprogrammen (die ja in den USA eingestellt wurden) dafür verantwortlich ist, dass die US-Renditen höher notieren als die ausländischen Renditen der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit.

Dieselbe Schlussfolgerung gilt im Grunde genommen mit dem umgekehrten Vorzeichen auch für die Frage, warum die Zinssätze in der Eurozone noch immer auf einem relativ niedrigen Niveau verharren: niedrig erwartete Inflation, träges Wirtschaftswachstum und „neutralerfiskalpolitischer Kurs, d.h. keine Unterstützung der expansiven Geldpolitik durch die Fiskalpolitik.






Keine Kommentare: