Der Rendite-Abstand zwischen den USA (2,89%) und Deutschland (0,33%) nimmt weiter zu. Gemessen an der Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit beträgt der Spread per Dienstag 2,56%.
Damit spiegelt sich der unterschiedliche Verlauf der Geldpolitik der Notenbanken auf beiden Seiten des Atlantiks wider.
Die Fed hat im Dezember 2015 begonnen, die Zinsen allmählich anzuheben.
Die US-Notenbank hat seither (im gennannten Zyklus) die Zinsen bis Mitte Juni 2018 insgesamt siebenmal erhöht.
Die Staatspapiere aus den USA und Deutschland haben aber einen gemeinsamen Nenner: die Gefahr des Ausfalls (default) ist minimal; sie sind daher sicher, liquide und hochwertig, unabhängig davon, ob Inflation oder Deflation droht.
Bemerkenswert ist, dass die Realrendite der 10-jährigen Staatsanleihen Deutschlands negativ (-1.856%) ist, wie BloombergTV meldet.
Die Real-Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist negativ, Graph: BloombergTV live June 26, 2018
Realrendite bedeutet Nominalrendite minus Inflation. Wenn z.B. eine Anleihe einen Ertrag von 4% abwirft und die aktuelle Inflation 2% beträgt, ergibt sich daraus einen Realertrag von (4%-2%=) 2%.
Der Grund dafür, warum die Investoren sich um die Realrenditen kümmern, ist einfach: Es geht um die Einschätzung der Kaufkraft des Geldes in USD und/oder in EUR. (*)
Wenn man sein Geld in einem Safe aufbewahrt, bleibt der Nominalwert unverändert. Aber der Realwert nimmt um die Inflationsrate ab.
Realrenditen sind ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, Investitionsentscheidungen zu treffen. Aber es ist keineswegs der einzige Faktor. Manchmal nehmen Investoren Renditen unterhalb der Inflationsrate in Kauf, wenn der Faktor „Sicherheit“ für sie unter gewissen Umständen überwiegt.
Der Renditeabstand zwischen UST und German Bunds mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: BloombergTV live June 26, 2018
Weitere Überlegungen sind langfristige Ziele, Duration des Anlagehorizonts und die Risikobereitschaft der Anleger.
Zudem ist es bezeichnend, dass auch inflationsindexierte Bundeswertpapiere seit geraumer Zeit mit Negativ-Renditen gehandelt werden.
Das bedeutet, dass Investoren den deutschen Staat für das Privileg, dass sie deutsche Staatspapiere halten dürfen, entschädigen, mit Geld. Die Negativ-Renditen sehen laut Bundesbank gegenwärtig wie folgt aus: 2 Jahre: -1.63%, 5 Jahre: -1,52%, 8 Jahre: -1,21%, 12 Jahre: -0,89% und 28 Jahre: -0,60%.
Das erstaunt nicht, da die Rendite der inflationsindexierten Anleihen aus der nominalen Rendite der Bundesanleihen minus die erwartete Inflationsrate berechnet wird.
Derzeit gilt es aber, auch das Phänomen „Flucht in Sicherheit“ (flight to safety) zu beachten. Und das erklärt, warum Anleger manchmal negative Renditen akzeptieren.
Ausserdem ist es eine Tatsache, dass die Anleger damit die Kapitalsumme (principal of investment) ihrer Investition zurückbehalten können. Und wenn obendrauf die Inflation ansteigen sollte, wären sie auch geschützt.
Was allerdings traurig ist, zuzusehen, wie die Entscheidungsträger in der Eurozone trotz Negativrenditen darauf bestehen, an der „Gürter-enger-schnallen-Politik“ (sei es in Form von fiscal austerity oder „schwarzer Null“) festzuhalten.
Die allgemein restriktive Fiskalpolitik der EU-Behörden ist, ob man in der Praxis tatsächlich einen harschen Sparkurs verfolgt oder nicht, im Stabilität- und Wachstumspakt verankert, begleitet von aus der Luft gegriffenen Obergrenzen für die Verschuldung.
Die bornierte Wirtschaftskonzeption Europas kann daher als einen wesentlichen Grund angesehen werden, warum der Renditeabstand zwischen den USA und dem Euroraum weiter zunimmt.
Während die Fed vor rund 3 Jahren begonnen hat, den geldpolitischen Kurs in Richtung „Normalität“ zu steuern, hat die EZB kürzlich angedeutet, am aktuellen Zinsniveau bis Ende Sommer 2019 nichts zu ändern.
Warum?
Weil die europäische Wirtschaft immer noch eine gewisse Stützung braucht. Es mangelt nämlich an Nachfrage. Und es ist offensichtlich, dass der Einsatz der Geldpolitik an der Nullzins-Grenze (zero lower bound oder effective lower bound) nicht ausreicht, die Konjunktur anzukurbeln.
Fiskalpolitische Massnahmen kommen aber in Europa aus ideologischen Gründen nicht in Frage, sodass die Erholung der Wirtschaft auf die lange Bank geschoben wird.
Und wir warten und erstaunen, warum die Inflation nicht vom Fleck kommt, während diejenigen, die sich wider besseren Wissens immer noch für die Austerität aussprechen und eigene Fehler nicht einsehen und mit der Lohnmoderation fortfahren, die EZB auffordern, endlich die Zinsen anzuheben. Wie das?
(*) Ein kurzes Beispiel:
Nehmen wir an, dass wir dieses Jahr 500 EUR für die Nahrungsmittel ausgeben. Wenn die Inflation bei 2% liegt, kostet derselbe Einkaufswagen nächstes Jahr 510 EUR.
Wenn die Rendite unserer Anlagen nur 1% beträgt, dann haben wir am Ende des Jahres 505 EUR. Unsere Kaufkraft wurde durch die Differenz zwischen der nominalen 1%-Rendite und der 2%-Inflation gemindert, sodass unsere Realrendite negativ wird: -1%.
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