Sonntag, 16. April 2017

Arbeitsmarkt, Friktionen und Mindestlohn

Wenn es um den Arbeitsmarkt geht, ist es entscheidend, zu verstehen, was es für Unternehmen bedeutet, wenn die privaten Haushalte kein Geld haben. 

Ganz einfach: Die Unternehmen haben dann keine Kunden. Keine Kundschaft bedeutet kein Umsatz. Und das führt zum Teil zu Produktionseinstellungen und zum Personalabbau.

Denn die Einnahmen des einen sind die Ausgaben des anderen. 

Und die zunehmende Ungleichheit löst vor diesem Hintergrund einen Teufelskreis der Nachfrageschwäche aus. Am Schluss sind alle davon betroffen.

Bemerkenswert ist in diesem Kontext der fatale Widerstand gegen die Erhöhung des Mindestlohnes in Politik und in Teilen der Mainstream-Medien.

Eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 15 USD pro Stunde würde jedes Jahr rund 450 Mrd. USD in die US-Wirtschaft einspritzen, was Millionen von armen und einkommensschwachen Bürgern mehr Kaufkraft geben würde. 

Und so würden der Konsum, die Produktion und die Beschäftigung angeregt, wie Nicolas J. Hanauer in einem lesenswerten Artikel bei Bloomberg View beschreibt.

Der Privatunternehmer sagt mit Nachdruck, dass er seine (niedrig-bezahlten) Arbeitnehmer nicht als Kostenstelle betrachte, sondern als Kunden seines Unternehmens, die gepflegt werden müssten.

Und das ist in der Tat die Logik dahinter, warum der Arbeitsmarkt nicht wie der Kartoffelmarkt funktioniert.


Arbeitsmarkt und Mindestlohn, Graph: James Kwak, in: Economism


James Kwak erläutert in seinem neulich erschienenen lesenswerten Buch ("Economism"), warum die Argumente, die sich auf das Lehrbuch-Modell mit Angebots- und Nachfragekurve stützen, falsch sind, dass ein Anstieg des Mindestlohnes die Beschäftigung verringern würde. 

Das übliche Ergebnis ist dann, dass die Ungleichheit steigt und dadurch die wachsende Kluft zwischen Reichen und Armen in der heutigen Gesellschaft legitimiert wird.

Das grundlegende „Econ 101“-Modell, das undifferenzierte Angebots-und-Nachfrage-Modell (single market), funktioniert für den Arbeitsmarkt nicht.

Warum der Arbeitsmarkt sich in Form von Arbeitsangebotskurve und Arbeitsnachfragekurve nicht beschreiben lässt, erklärt Noah Smith in einem lesenswerten Eintrag in seinem Blog.

Tatsächlich gibt es eine Reihe von Gründen, warum „Econ 101“-Theorie für die Arbeitsmärkte nicht geeignet ist.

Zusammenfassend unterstreicht Smith drei Faktoren:

(1) Angebots- und Nachfragekurven sind für eine einzige Ware gedacht; die Arbeit hingegen ist sehr heterogen.

(2) Angebots- und Nachfragekurven sind statische Modelle; aufgrund der Arbeitsgesetze und der implizierten Arbeitsverträge umfassen Arbeitsmärkte viel Zukunft gerichtetes Verhalten.

(3) Angebots- und Nachfragekurven sind reibungslos (without friction); Arbeitsmärkte hingegen beinhalten aus einer Reihe von Gründen offensichtlich viele Friktionen, z.B. Sucharbeitslosigkeit.

Wenn die Lehrbuch Angebots- und Nachfragemodelle für jeden Markt funktionieren würden, wäre der überwiegende Teil des modernen Berufs der Wirtschaftswissenschaften völlig nützlich, wie Smith als Fazit festhält.

Zum Glück melden sich auch manche klugen und wissenschaftlich gesinnten Ökonomen zu Wort, die erkennen, dass es in jeder Volkswirtschaft allgemeine Gleichgewichtseffekte, Heterogenität, Zukunft weisendes Verhalten, Suchfriktionen usw. gibt.

Einige Unternehmen widersprechen einer Erhöhung des Mindestlohnes als unnötige Einmischung der öffentlichen Hand in die Arbeitsweise des Marktes. 

In der Tat würden aber damit ein Anstieg der staatlichen Intervention und die Abhängigkeit von öffentlichen Hilfsprogrammen erheblich reduziert.



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