Auch wenn es sich für manche “intuitiv” nicht realistisch anhört, führt die Erhöhung des Mindestlohnes nicht zu weniger, sondern zu mehr Beschäftigung.
Im Grunde genommen gibt es eine Reihe von Macro-Paradoxen. Das bekannteste ist sicherlich das Sparparadoxon (paradox of thrift).
Keynes hat erklärt, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt, wenn in schlechten Zeiten alle sparen, wodurch auch die gesamten Ersparnisse am Ende zurückgehen, aufgrund des rückläufigen Konsums und des abnehmenden Wirtschaftswachstums.
Wenn alle privaten Haushalte ihre Ausgaben kürzen, sinkt der Gesamtverbrauch und damit auch die Nachfrage nach Arbeitskräften.
In diesem Kontext liefert Marc Lavoie in seinem im Jahr 2015 weiter verarbeiteten Buch eine aufschlussreiche Abbildung, um alle Macro-Paradoxes kurz zu erläutern.
Macro-Paradoxes im Überblick, Graph: Prof. Marc Lavoie in: Post-Keynesian Economics: New Foundations, Edward Elgar Publishing, 2015.
Der an der University of Ottawa, Canada lehrende Wirtschaftsprofessor erinnert in diesem Zusammenhang auf eine Analyse von Michal Kalecki.
Der aus Polen stammende Ökonomen hat in einer Forschungsarbeit 1939 festgehalten, dass ein Rückgang der Reallöhne die Gewinne von Unternehmen nicht erhöht (paradox of costs), sondern zu einem Rückgang der Beschäftigung führt.
Der Punkt ist, dass der Vorteil eines einzelnen Unternehmens nicht unbedingt allen Unternehmen zu Gute kommt.
Dynamisch formuliert bedeutet dies, dass steigende Reallöhne (relativ zur Produktivität) höhere Gewinnraten generieren können.
Das Narrativ entbehrt jedoch der mikroökonomischen Analyse jeder Vernunft, die erklärt, dass niedrigere Gewinnmargen niedrigere Gewinnraten bedeuten.
Dass Makroökonomie von der Mikroökonomie nicht abgeleitet werden kann, bekräftigt Steven Keen in seinem kürzlich vorgelegten lesenswerten Buch ausführlich.
Wenn aber höhere Reallöhne einen höheren Gesamtverbrauch, höhere Umsätze, höhere Kapazitätsauslastung und damit höhere Investitionsausgaben erzeugen, dann steigt die Gewinnrate.
Fazit: Während es für ein einzelnes Unternehmen vorteilhaft sein kann, die Löhne zu senken, um damit eine höhere Gewinnrate zu erzielen, geschieht das Gegenteil, wenn alle Unternehmen versuchen, das gleiche zu tun, d.h. die Löhne zu senken, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Das einzelwirtschaftliche Denken ist daher für die Gesamtheit falsch. Das ist auch der Grund dafür, warum es den Staat braucht, der v.a. in Zeiten von schweren Rezessionen und Depressionen für die Gesamtwirtschaft sorgt.
Steve Keen: Can we avoid another financial crisis? Wiley 2017.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen