Dienstag, 25. April 2017

Bundesbank erklärt den Geldschöpfungsprozess

Hyman Minsky hat darauf hingedeutet, dass das Geld nicht einfach durch zentrale Behörden geschaffen werde. 

Geldschöpfung geschieht, jedes Mal Geschäftsbanken Geld leihen, d.h. Kredit gewähren, weil die Kreditvergabe die Kaufkraft derjenigen erhöht, die das Geld borgen.

Es ist daher die Nachfrage nach Kredit durch die Geschäftsbanken und die privaten Haushalte in der Wirtschaft, die die Geldmenge (money supply) bestimmen.

Geld wird in der Realwirtschaft deswegen als endogen bezeichnet und es ist nicht unabhängig von der Herstellung von Waren und Dienstleistungen.

Das ist die Erkenntnis, die das Herzstück der modernen Geldtheorie (modern money theory) bildet.

Es ist vor diesem Hintergrund aufschlussreich, wie die Deutsche Bundesbank im aktuellen Monatsbericht (April 2017) die Rolle von Banken, Nichtbanken und Zentralbank im Geldschöpfungsprozess beschreibt.

Die Kredit- und Geldschöpfung ist das Ergebnis komplexer Interaktionen zwischen Banken, Nichtbanken und Zentralbank, so die Bundesbank.

Und sie erklärt weiter, dass die Fähigkeit der Banken dabei, Kredite zu vergeben und Geld zu schaffen, nicht davon abhängt, ob sie bereits über freie Zentralbankguthaben oder Einlagen verfügen.


Geldmenge und Zentralbankguthaben, Graph: Bundesbank in: Monatsbericht (April 2017)


Das heisst im Klartext, dass die Banken nicht über Einlagen oder Reserven verfügen müssen, um Kredit zu geben. Das neue Geld wird auf Nachfrage hin geschöpft.

Wenn die Banken nach eigener Wahl an bonitätsmässig einwandfreien Schuldnern Kredit gewähren, schaffen sie gleichzeitig Einlagen. 

Was die Banken brauchen, sind kreditwürdige Kreditnehmer. Das Problem liegt daher nicht in der Nachfrage nach Finanzierung, nicht im Angebot. 

Wenn die Kreditnehmer auftauchen, dann werden die Banken die Kreditvergabe erhöhen, was wiederum die Ausgaben in der Wirtschaft steigert.

Die Bundesbank legt dar, dass „der Geldschöpfungsprozess durch eine Reihe von ökonomischen und regulatorischen Faktoren begrenzt wird:

Bankseitig findet die Geldschöpfung ihre Grenzen im Ertrag-Kosten-Kalkül der einzelnen Banken sowie in mikro- und makroprudenziellen Regulierungsvorschriften. Darüber hinaus wird deutlich, dass auch die Kreditnachfrage und das Portfolioverhalten der Nichtbanken die Geldschöpfung beschränken“.


Wirkungszusammenhänge bei Leitzinsänderungen, Graph: Bundesbank in: Monatsbericht (April 2017)


Die Bundesbank nimmt u.a. auch eine bemerkenswerte Stellung zu den Argumenten der Kritiker der Geldschöpfungskapazität des Bankensystems. 

Seit einiger Zeit gibt es nämlich Vorschläge, die u.a. auch in der Schweiz unterbreitet werden, die Kreditschöpfungsmöglichkeiten des Bankensektors durch eine vollständige Deckung von Einlagen („Vollgeld“) durch Zentralbankgeld zu begrenzen.

Die Bundesbank äussert Zweifel daran, ob eine solche Beschränkung tatsächlich zu einem insgesamt stabileren Finanzsystem führen würde.

Folglich weist sie das sog. Vollgeld- oder 100%-Reserve-System zurück, weil die Banken sonst keine Fristentransformation durchführen könnten und legt stattdessen nahe, dass die Banken die Eigenkapitalbasis stärken sowie wirkungsvolle makroprudenzielle Instrumente einsetzen, um die Widerstandsfähigkeit des Finanzsystems zu verbessern.


PS

Die Bank of England (BoE), die britische Notenbank erläutert im Quarterly Bulletin 2014, Q1 in einem Exkurs die Rolle des Geldes in der modernen Wirtschaft. Unbedingt lesenswert.

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