Freitag, 21. April 2017

Inflation und der seine Bilanzen reparierende Privatsektor

Die Bilanzsumme der EZB reflektiert die expansive Geldpolitik der EZB unmittelbar. Da niemand Geld leihen will, wirkt die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (genannt QE-Policy) kaum. 

Trotz der Null-Zinsen sparen nämlich die privaten Haushalte. In Deutschland macht die Quote rund 6% des BIP aus. Auch Unternehmen sind Netto-Sparer.

Obwohl die Notenbankgeldmenge (monetary base) sich in den vergangenen Jahren vervielfacht hat, kommt die Inflation nicht vom Fleck, abgesehen von einigen „Beulen“, ausgelöst durch die Preisanstiege für Rohstoffe und Energie.

Das neu geschaffene Geld kommt in der Realwirtschaft nicht an, weil der Privatsektor immer noch damit beschäftigt ist, die Bilanzen zu reparieren (Balance Sheet Recession), wie Richard Koo in einem lesenswerten Interview mit der Finanz und Wirtschaft beschreibt.



Die Bilanzsumme der EZB im Vergleich zum BIP (Wirtschaftsleistung), Graph: Peter Praet, ECB auf der Hyman Minsky Konferenz in New York am 19. April 2017 


Irland und Spanien halten sich gut, weil dort die Löhne gesunken sind. Deshalb wird die Produktion in diese Länder verlagert, argumentiert der Chefökonom von Nomura Research Institute mit Sitz in Tokyo.


Inflation im Euroraum (gemessen am HICP), die allgemeine Inflation (headline) versus Kern-Inflation (core), Graph: Peter Praet, ECB, Apr 19, 2017


Auch Steve Keen vertritt in seinem neulich vorgelegten Buch die Ansicht, dass der jüngste Rückgang der Arbeitslosigkeit in Südeuropa (z.B. in Spanien) nicht als Zeichen des Erfolgs der Austeritätspolitik der EU gelten kann.

Es ist die Folge eines Anstiegs der Kreditaufnahme, obwohl sie immer noch negativ ist. Das langsame Tempo des Rückgangs bedeutet aber eine Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, legt der an der Kingston University lehrende Wirtschaftsprofessor dar.



Terminzinsen (forward interest rate) für ein Jahr im Vergleich: US versus Euroraum, Graph: Peter Praet, ECB, Apr 19, 2017.


Die Frage ist natürlich, wie lange die Anpassung der Wirtschaft noch dauert. 

So sehen die BIP-Wachstumserwartungen im Euroraum für 6-10 Jahre vorwärts zur Zeit aus, wie es aus einem Chart, den Peter Praet, Direktoriumsmitglied der EZB am Mittwoch vorgestellt hat, hervorgeht.



BIP-Wachstumserwartungen im Euroraum, Graph: Peter Praet, ECB


Was ist aber zu tun, um die langsame Gangart zu beschleunigen? 

Wenn die Zentralbank als Lender of Last Resort agiert (seit der Amtsübernahme von Mario Draghi), müssten die Regierungen als Borrower of Last Resort auftreten. Das ist die Kombination, die in einer Bilanzrezession notwendig ist, wie Koo erläutert.

Warum soll sich aber der Staat verschulden?

Weil der Staat der einzige Schuldner ist, der übrig bleibt. Die öffentliche Hand muss einspringen, um die Ersparnisse des Privatsektor in Umlauf zu bringen.

Wenn der private Sektor auch bei Nominalzinsen nahe null Prozent (zero lower bound) ein mehrfaches der jährlichen Wirtschaftsleistung spart, kann nur der Staat die Differenz ausgleichen, damit Ersparnisse und Investitionen wieder in Einklang kommen.


Der Preis für Inflations- und Deflationsschutz im Euroraum, Graph: Peter Praet, Chefvolkswirt der ECB 

PS: Bei Deflation-Swaps handelt es sich um Derivate, die auszahlen, wenn der Preis eines festgelegten Korbes von Waren in einem Zeitraum von z.B. 10 Jahren fällt und tiefer liegt als in der Gegenwart. 

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