Der Sachverständigenrat hat vergangene Woche seine Konjunkturprognose für die deutsche Wirtschaft vorgelegt und seine Wachstumsaussichten für das Jahr 2017 leicht nach oben revidiert.
Der Sachverständigenrat nimmt zugleich auch der „in jüngster Zeit verstärkt geäusserten Kritik am hohen deutschen Leistungsbilanz-Überschuss“ Stellung.
Die daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen hält der Sachverständigenrat für nicht stichhaltig und stellt sich auf den Standpunkt, durch angebotsseitige Massnahmen Investitionsanreize zu stärken.
Obwohl die EU-Kommission in einem im November 2016 präsentierten Bericht (Alert Mechanism Report 2017) mit Hinweis auf Art. 3 und Art. 4 des Vertrags über die EU festhält, dass Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss ein makroökonomisches Ungleichgewicht (*) darstellt, findet der Sachverständigenrat, dass der deutsche Leistungsbilanzüberschuss zwar hoch sei, doch kein makroökonomisches Ungleichgewicht darstelle.
Einkommen und Konsum der privaten Haushalte in Deutschland, Graph: Prof. Peter Bofinger in: Konjunkturprognose für 2017 und 2018
Der EU-Bericht unterstreicht, dass Deutschlands bereits grosser Leistungsbilanzüberschuss sich im Jahr 2015 weiter auf 8,5% des BIP ausgeweitet hat, womit die Lücke zwischen Ersparnissen (mehr) und Investitionen (weniger) noch grösser werde.
Die obere Grenze liegt gemäss MIP (Macroeconomic Imbalance Procedure) bei 6% des BIP.
Deutschland: Ersparnisse – Investitionen, Graph: Alert Mechanism Report 2017 in: Report from the Commission, Nov 16, 2016
Ein Mitglied des Rates, Peter Bofinger, kann sich nicht der Auffassung der Mehrheit anschliessen, bemerkt der Sachverständigenrat.
Ein Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von 8,3% des BIP bedeutet, dass in dieser Höhe eine inländische Nachfragelücke besteht, die durch ausländische Nachfrage kompensiert wird, erklärt Bofinger.
Dieser Überschuss ist nicht auf „zeitlich begrenzt wirkende Faktoren“ zurückzuführen, sondern auf die starke Lohnzurückhaltung insbesondere in den Jahren 2004 bis 2007, betont Bofinger weiter.
Und sie hat die inländische Nachfrage und v.a. den privaten Verbrauch erheblich gebremst, wie in der von Bofinger vorgestellten Abbildung deutlich zu sehen ist:
Bofingers Fazit lautet, dass der deutsche Leistungsbilanzüberschuss im Aggregat saldenmechanisch zumindest teilweise durch Budgetdefizite in den USA, im Vereinigten Königreich und in Frankreich ermöglicht wird.
PS:
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist ein unabhängiges Gremium der wirtschaftswissenschaftlichen Politikberatung.
Er besteht aus 5 Mitgliedern (derzeit Prof. Christoph M. Schmidt, Prof. Peter Bofinger, Prof. Lars P. Feld, Prof. Isabel Schnabel und Prof. Volker Wieland).
(*) Gemäss EU-Bericht weisen auch Finnland, Irland, Niederlande, Slowenien, Spanien und Schweden ein makroökonomisches Ungleichgewicht auf.
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