Ökonomen bilden Modelle, um herausragende Aspekte der sozialen Interaktionen zu erfassen, schreibt Dani Rodrik in seinem lesenswerten Buch („Economics Rules“).
Ein Wirtschaftsmodell richtet das Augenmerk nach bestimmten Ursachen und versucht, zu zeigen, wie sie sich durch das System entfalten.
Interessierte Leser wissen, dass Paul Krugman u.a. ein einfaches IS-LM-Modell verwendet, um die Situation seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise von 2008 zu analysieren.
Das Modell, das die Dinge sehr vereinfacht und daher nicht unbedingt als „abschliessend“ wahrgenommen werden kann, hat bislang trotzdem sehr nützliche Vorhersagen darüber geliefert, was in der Wirtschaft unter ungewöhnlichen Umständen geschehen würde.
Mit anderen Worten: Die Ökonomen, die sich eines einfachen IS-LM-Modells bedient haben, haben den Verlauf der gegenwärtigen Krise bislang ziemlich gut einschätzen können, ohne sich von der neoklassischen Theorie komplett vereinnahmen zu lassen.
Eine grundsätzliche Aussage ist, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage den Zinssatz reflektiert und die Geldpolitik sich gegen die Veränderungen im BIP lehnt. Die LM-Kurve ist daher nach oben gerichtet, weil es aber sehr schwer ist, die Zinsen unter null zu senken, verläuft die Kurve bei niedrigem BIP-Niveau flach (Liquiditätsfalle).
IS-LM-Modell: Wo stehen wir heute?, Graph: Paul Krugman, Blog, NYTimes, Jan 2017.
Kurzfristig kommt es zum Gleichgewicht, wo sich die Zinsen und der Output (BIP) kreuzen. Normalerweise hat eine Verschiebung der IS-Kurve einen begrenzten Einfluss auf den Output und die Beschäftigung, während die Multiplikatoren gering sind. Eine expansive Fiskalpolitik kann deshalb zu Crowding-out führen.
IS-LM-Modell, Graph: Paul Krugman, Blog, NYTimes, Okt 2011
Nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise ist aber die Wirtschaft an der Nullzins-Grenze (zero lower bound) gelandet. In der ersten Abbildung wird dies mit der IS-Kurve (2010) gekennzeichnet. Unter diesen Bedingungen löst eine Verschiebung der IS-Kurve keine Bewegung der Zinsen aus. Die Multiplikatoren sind gross. Und es gibt kein Crowding-out. Im Grunde genommen kommt es sogar zu Crowding-in.
Nur, der Punkt ist, dass es sich dabei um aussergewöhnliche Umstände handelt. Das heisst, dass so etwas wie Sparparadoxon (paradox of thrift) i.d.R. nicht zum Einsatz kommt, zu beschreiben, wie die Volkswirtschaft sonst funktioniert. Das entsprechende Narrativ gilt nur dann, wenn die Zinsen an die Nullzins-Grenze (zero lower bound) geraten.
IS-LM-Modell und Vollbeschäftigung, Graph: Paul Krugman, Blog, NYTimes, Okt 2011
Das ist auch das Thema der letzten Blog-Einträge („reactionary Keynesianism“) von Simon Wren-Lewis.
Der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor legt dar, warum eine expansive Fiskalpolitik (z.B. in Form von Steuersenkungen für die Reichen) heute die US-Wirtschaft kaum animieren kann.
Denn sobald die Zinsen sich nach oben bewegen, d.h. von der Nullzins-Grenze wegkommen, liegen diejenigen, die sich über die Unwirksamkeit der Fiskalpolitik beschweren, falsch, weil der expansive Kurs von der restriktiven Geldpolitik der Notenbank verdrängt wird. Zur Erinnerung: Die Fed ist dran, die Zinsen zu erhöhen.
Sobald also die Nullzins-Grenze nicht mehr gilt, hat eine Steuersenkung für die Reichen eine regressive Umverteilung des Einkommens zu Folge. Es wäre darüber hinaus abwegig, zu erwarten, dass die Steuersenkungen sich irgendwie auszahlen würden, erläutert Wren-Lewis weiter.
Ferner: Ein BIP-Wachstum, ausgelöst durch erhöhte Ausgaben in zweifelhafte Projekte, würde mit Sicherheit zu einem Anstieg der Zinsen führen. Da die privaten Investitionen durch sinnlose Investitionen der öffentlichen Hand mit nutzlosen Zielvorstellungen verdrängt würden, dürfte das BIP möglicherweise sogar nicht zulegen.
Wo stehen wir aber heute? Die Arbeitslosigkeit nimmt ab. Die Löhne steigen. Die US-Wirtschaft bewegt sich in Richtung Vollbeschäftigung. Die Fed erhöht die Zinsen und die IS-Kurve sieht wie in (2017) abgebildet aus. In den USA deutet sich m.a.W. eine Normalisierung an, wie Krugman argumentiert. Europa hingegen steckt immer noch ziemlich klar in der Liquiditätsfalle.
Es ist daher wichtig, den Unterschied zu erkennen, warum manche Ökonomen das Haushaltsdefizit unter Obama als „Retter der Krise“ betrachteten und aber den aller Wahrscheinlichkeit nach bevorstehenden Anstieg des Haushaltsdefizits unter Trump als „unannehmbar“ bewerten.
(*)
IS: Investment und Savings,
LM: Liquidity und Money.
IS-Kurve: Gütermarkt,
LM-Kurve: Geldmarkt.
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