Dienstag, 17. Januar 2017

Finanzkrise und Zentralbank als Kreditgeber in letzter Instanz


Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Aufgabe, den Geldmarkt in CHF mit Liquidität zu versorgen. So steht es im Nationalbankgesetz (Art. 5) geschrieben.

Die SNB wirkt m.a.W. als Kreditgeber in letzter Instanz (d.h. LOLR, lender of last resort). Auch die Instrumente und Verfahren sind festgelegt, welche die SNB zur Umsetzung ihrer Geldpolitik einsetzt.

Auch die Bedingungen, zu welchen solche Geschäfte abgeschlossen werden und welche Wertpapiere als Sicherheit (collateral) verwendet werden können, sind definiert.

Wie wichtig die Versorgung des Geldmarktes mit Liquidität ist, ist während der globalen Finanzkrise von 2008 deutlich zum Vorschein gekommen. Allerdings ist zugleich auch eine Debatte über die Beschränkungen und Grenzen der LOLR-Politik entfacht. 

Ulrich Bindseil und Luc Laeven befassen sich vor diesem Hintergrund mit der Kritik an LOLR in einem lesenswerten Artikel („Confusion about the lender of last resort“) in voxeu.

Ein Vorwurf betrifft den Sicherheiten-Rahmen der Zentralbanken. Das Kollateral-System in der Eurozone basiere auf Bedingungen, die von der EZB festgelegt werde und nicht aber vom Markt. Auf diese Weise werde die Marktdisziplin untergraben.


Überschussliquidität, Graph: Morgan Stanley

Die Überschussliquidität errechnet sich aus der Summe aus dem Current Account und dem Deposit Facility bei der EZB, bereinigt um den ausstehenden Betrag auf der marginal lending facility und den erforderlichen Rücklagen


Die Banken würden sich in Zeiten von Krisen ermutigt fühlen, illiquide Vermögenswerte bei der Zentralbank abzuladen. Und die Entgegennahme von illiquiden Sicherheiten können zu einer Überproduktion von illiquiden Vermögenswerten führen, so die Kritik.

Die Missbilligung ist jedoch fehlgeleitet, weil erstens die Zentralbanken niemals liquiditätsbegrenzt sind und in der Währung, die sie selbst ausgeben, nicht zahlungsunfähig (default) werden können. Das ist der Schlüssel zum Verständnis der LOLR-Rolle der Zentralbank, wie die Autoren unterstreichen.

Nicht-liquiditätsbegrenzt bedeutet ferner, dass das Liquiditätsrisiko von den Zentralbanken unterschiedlich bewertet wird, v.a. in einer Liquiditätskrise, wenn der Preis von Liquidität durch die Decke schiesst.

Das ist auch der Grund (ein risikofreier Kontrahenten-Status der Zentralbank) aus der Perspektive der Kreditnehmer, tiefe Haarschnitte (haircuts) gegen die Bereitstellung von Sicherheiten zu akzeptieren.

Zweitens gilt das berühmte „Bagehot-Prinzip“: LOLR kommt gegen gute Sicherheiten und zu Strafzinsen im Vergleich zu normalen Zeiten zum Einsatz. Es wird aber oft falsch wahrgenommen, wie wenn die Zentralbanken zu Konditionen, die weniger günstig sind als im Markt Mittel verleihen würden. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall.

Darlehensbedingungen sollten im Vergleich zu normalen Zeiten weniger günstig sein. Aber gerade wegen der Marktstörung während einer Krise sollten sie zu niedrigeren Kursen als im Markt angeordnet werden. Auf diese Weise wird die Prozyklizität des Finanzsystems reduziert.


Einlagefazilität (deposit facility, zur Zeit -0,40%) und Giroguthaben (current account) der europäischen Banken bei der EZB, Graph: Morgan Stanley

Die Sichtguthaben werden zum festen Refi-Satz (main refinancing) verzinst (zur Zeit 0,0%), bis zu der Summe, die die Banken als Mindestreserve hinterlegen müssen. Was darüber hinaus liegt, wird auf dem Current Account geparkt und nicht verzinst.

Die Banken sind für das Liquiditätsrisiko naturgemäss besonders anfällig: sie sind auf risikotolerante Finanzierung auf dem Geldmarkt angewiesen. Und die Undurchsichtigkeit der Bankkredite impliziert, dass der Markt nur über unvollständige Informationen über die Qualität der Vermögenswerte und damit der Fähigkeit der Banken, ihren Verpflichtungen nachzukommen, verfügt. 

Während Mindestkapitalanforderungen und Liquiditätsregulierung zur Verbesserung der Finanzierungsstabilität der Banken beitragen können, bleiben Schwachstellen bestehen, argumentieren die Autoren.

Die LOLR-Funktion hat auch Risiken: 

Erstens besteht die Gefahr der Kreditvergabe an Finanzinstitute, die insolvent sind. In diesem Fall kann ein bank run nicht gestoppt werden. Deshalb ist die Solvenz immer eine zentrale Voraussetzung für eine Bank, die LOLR-Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Zweitens besteht das Risiko, dass LOLR-Massnahmen zu finanziellen Verlusten für die Zentralbanken führen können. Daher müssen alle Kredite angemessen besichert (collateralised) werden.

Drittens ist das Wagnis zu nennen, dass LOLR die Anreize für die Banken reduziert, eigene Rückstellungen gegen Liquiditätsrisiken zu bilden, wenn sie auf die LOLR-Role angewiesen werden. Solche Risiken können aber durch die Liquiditätsregulierung (z.B. Strafzinsen, haircuts) abgemildert werden.

Fazit: Der grosse Umfang der LOLR-Operationen der Zentralbanken während der globalen Finanzkrise hat dazu beigetragen, einen Zusammenbruch des Finanzsystems zu verhindern.

Die Liquiditätsunterstützung der Zentralbank ist in bestimmten Situationen unvermeidbar. Trotz der Bedenken (moral hazard) und der Schwere der Krise haben die Zentralbanken keine finanziellen Verluste eingefahren.





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