Dienstag, 6. Dezember 2016

Italien zwischen Angebot und Nachfrage

Die italienische Wahlbevölkerung hat am Sonntag das Verfassungsreferendum mit 60 zu 40% abgelehnt. Die ersten Kommentatoren rechnen nach dem Ausgang der Volksabstimmung mit einem Anstieg der politischen und finanziellen Instabilität in Europa.

Fakt ist, dass Italiens Wirtschaft kaum noch wächst, was die Sanierung der Banken zusätzlich erschwert. Die Frage ist, warum?

Thomas Fricke liefert dazu in seiner Kolumne bei Spiegel eine sachliche Analyse.

Man kann Italienern nur nicht vorwerfen, dass sie deutsche Haushaltstugenden nicht befolgen, so Fricke. Italiens Staatsdefizit liegt dieses Jahr zum vierten Mal seit 2011 unter 3% des BIP. Italiener konsumieren heute 5% weniger als 2007. Kein Wunder, wenn die Löhne seit Jahren real fallen. Und italienische Exporteure senken ihre Preise seit Jahren, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Kurzum, alles, was Berlin fordert (Exportüberschüsse, Lohnzurückhaltung und Haushaltsausgleich), erfüllt Rom. Wo liegt aber das Problem?

Italien investiert heute um ein Viertel weniger als 2008, betont Fricke mit dem Hinweis auf die OECD-Daten. Verbraucher geben kein Geld aus. Und die Unternehmen sehen keinen Grund, zu investieren. Das ist die Kehrseite der von Brüssel und Berlin diktierten Reformen auf der Angebotsseite.

Das heisst im Grunde genommen, dass, während Massnahmen auf der Nachfrageseite (Fiskal-Politik) im gesamten Euroraum untersagt sind, auch die Massnahmen auf der Angebotsseite (Strukturreformen) für die Erholung der Wirtschaft nichts taugen.


Keine Fiskalpolitik: Gürter-enger-schnallen in der Eurozone geht auch 2017 weiter, Graph: fastFT

Die Lohnmoderation (genannt „internal devaluation“), wie die praktische Anwendung im Rest des Euroraums zeigt, funktioniert nicht, wenn die Geldpolitik durch die Nullzins-Grenze (zero lower bound) eingeschränkt ist, wie die Autoren einer am Montag in voxeu vorgelegten Studie bekräftigen.

Eine bessere Möglichkeit ist eine zentralisierte fiskalpolitische Unterstützung (wie z.B. Investitionsprogramme) und die Ausschöpfung des fiskalpolitischen Spielraums in den Überschussländern.

Der absolute Vorsprung, den sich Deutschland durch sein Lohndumping in den ersten Jahren der EWU erschlichen hat, ist aber so ungeheuer gross, dass auch der lange Weg der „strukturellen Reformen“ geschlossen ist, wie Heiner Flassbeck in einem lesenswerten Eintrag in Makroskop schreibt.


Italienische Bank-Aktien werden mit einem hohen Discount gehandelt, Graph: Morgan Stanley

In einer am Montag abgegebenen Erklärung unterstreichen die EU-Finanzminister den Standpunkt, 2017 einen „neutralen fiskalpolitischen Kurs“ („broadly neutral aggregate fiscal stance“) zu verfolgen. 

Der Vorschlag der EU-Kommission von Mitte November, dass die 19 EUR-Länder im kommenden Jahr im Durchschnitt 0,5% mehr investieren sollen als in den Haushaltsentwürfen vorgesehen, wird also von den EU-Finanzministern abgelehnt. 

Die Finanzminister unter der Leitung von Wolfgang Schäuble wollen stattdessen „ein angemessenes Gleichgewicht“ zwischen Nachhaltigkeit und Investitionen herstellen, während die nominalen Zinsen nahe Null liegen. Das heisst keine fiskalpolitischen Impulse, während die Produktionslücke in Europa geöffnet bleibt und 20,4 Millionen Männer und Frauen arbeitslos sind.

Flassbeck liegt nicht falsch, wenn er die Ausweglosigkeit der europäischen Krise als den direkten Weg in den Nationalismus beschreibt.

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