Sonntag, 22. November 2009

Eigentum verpflichtet: Wann ist genug in Wirklichkeit genug?

Was hält eigentlich John Maynard Keynes von der Gier der Banker und deren Bonusexzesse? Was würde er heute im Sog des öffentlichen Zorns gegen die Ausbeutung der knappen Ressourcen im Streben nach Wirtschaftswachstum und Anhäufung von Reichtum um jeden Preis sagen? Keynes hat sich dieses Themas bereits im Jahre 1930 angenommen, bemerkt Robert Skidelsky in einem lesenswerten Essay in Project Syndicate. In einem Artikel, den Keynes mit dem Titel „Die wirtschaftlichen Möglichkeiten für unsere Enkelkinder“ geschrieben hat, habe der grosse Ökonom prognostiziert, dass „in 100 Jahren (also bis 2030) das Wachstum in den Industrieländern praktisch zum Erliegen kommen werde, weil die Menschen dann genug haben würden, um ein gutes Leben zu führen“, zitiert Skidelsky den Keynes.

Die tägliche Arbeitszeit würde auf drei Stunden reduziert. Es gäbe also eine 15-Stunden Woche. Keynes’ Prognose habe laut Skidelsky auf der Annahme basiert, dass bei einem jährlichen Anstieg des Kapitals um 2%, einem Produktionsanstieg um 1% und bei stabilen Bevölkerungszahlen, der durchschnittliche Lebensstandard um das 8-fache steigen würde. Nach Skidelsky’s Berechnungen habe das Pro-Kopf-BIP in Grossbritannien in den späten 1920er Jahren (vor dem Crash 1929) 5'800 Euro betragen, im Geldwert von heute. Entsprechend habe Keynes geschätzt, dass ein Pro-Kopf-BIP von etwa 44'000 Euro für die Menschen „genug“ wäre, um sich angenehmeren Dingen zuzuwenden. 80 Jahre danach hat sich die entwickelte Welt den Zielen von Keynes angenähert, hält Skidelsky fest. Im Jahre 2007 (vor dem Crash) betrug das Pro-Kopf-BIP in den USA umgerechnet 31'500 Euro und in GB knapp 31'000 Euro. Das heisst, dass es in GB seit 1930 eine Verfünffachung des Lebensstandards gegeben hat, rechnet Skidelsky aus, trotz Verzerrungen bei Keynes’ Annahmen, dass es z.B. keine grosse Kriege und kein Bevölkerungswachstum gäbe. In GB ist die Einwohnerzahl heute um 33% höher als 1930. Der Grund für die positive Entwicklung liegt darin, dass das jährliche Produktivitätswachstum höher ausfiel als von Keynes prognostiziert: etwa 1,6% in GB und etwas höher in den USA. Es ist allerdings unwahrscheinlich, schreibt Skidelsky, dass die Erreichung dieses Ziels „die unstillbare Jagd nach noch mehr Geld beenden wird“. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass es kein Wachstum mehr geben wird, ausser die Natur sorgt dafür, hebt der emeritierte Wirtschaftsprofessor an der University of Warwick, England hervor. Keynes habe laut Skidelsky den sozialen Charakter von Arbeit nicht gänzlich ausser Acht gelassen. „Es wird vernünftig bleiben, ökonomisch zweckhaft für andere zu sein“, habe er geschrieben. Die Reichen hätten die Pflicht, den Armen zu helfen. „Die Anhäufung von Wohlstand, der die Grundlage für ein gutes Leben bilden sollte, wird zum Selbstzweck, weil er viele jener Dinge zerstört, die das Leben lebenswert machen. Über einen gewissen Punkt hinaus bietet die Anhäufung von Reichtümern nur mehr Ersatzbefriedigung für die realen Verluste im Bereich menschlicher Beziehungen“, schlussfolgert Skidelsky.

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