Buchbesprechung
Roger de Weck: Nach der Krise. Gibt es einen anderen Kapitalismus? Nagel & Kimche, Zürich, 2009.
Banken, die im Zentrum des Finanzsystems stehen, haben die Finanzkrise verursacht. Wo dogmatisch dereguliert, entstaatlicht und privatisiert wird, entstehen über exzessive Verschuldung Spekulationsblasen, die dann zu schwerwiegenden Finanzkrisen mit fatalen Sozialfolgen führen. „Eine Krise der Finanz, der Wirtschaft, der Politik, der Medien – dahinter eine Wertekrise“, schreibt Roger de Weck in seinem neu vorgelegten Buch. Er fordert einen neuen Rahmen, eine Marktwirtschaft mit sozialen und ökologischen Zielen (statt allein mit Gewinnziel). Zu den Ursachen des Finanzdebakels zählt de Weck u.a. den Vorrang des Kapitals vor der Arbeit, den Primat der Wirtschaft über den Staat, Kapitalismus als Religion und „Ökonomismus“, d.h. der Markt beherrscht die Wirtschaft, anstatt ihr zu dienen.
Dem Autor gelingt es, die Fehlentwicklungen der gegenwärtigen Krise in den Kontext der schleichenden und epochalen Untergrabung des Vorrangs der Demokratie vor der Ökonomie einleuchtend vor Augen zu führen. Roger de Weck erläutert mit bestechend scharfen Argumenten, warum es eines demokratischen Kapitalismus bedarf, um die Übermacht der Finanzwelt zu brechen. Er spricht sich für ein besseres Gleichgewicht zwischen Kapital und Arbeit. „Der Staat bleibt so wichtig wie der Markt“. Das in einem makellosen Stil geschriebene Buch moralisiert, aber ist keineswegs auf Moralismus hinaus. Wichtigste Lehre der Krise ist, dass „wir Banken keinen grossen politischen Einfluss mehr zubilligen dürfen“.
Roger de Weck lebt und schreibt in Berlin und Zürich. Er moderiert die Fernsehsendung Sternstunden Philosophie, ist Präsident des Graduate Institute of Internationale and Development Studies in Genf und lehrt am College of Europe in Brügge und Warschau. Zuvor war er Chefredakteur der Hamburger ZEIT und des Zürcher TagesAnzeigers.
Vollkommen unerklärlich ist aber, warum der weitsichtige Autor mit intellektueller Redlichkeit populistische Politiker ohne Vision wie z.B. Sarkozy und Merkel im positiven Sinne in diesem hervorragenden Buch wörtlich wiedergibt. Wenn er schon UNCTAD im Buch erwähnt, hätte er Heiner Flassbeck, den hochangesehenen Chef-Ökonom dieser UNO-Organisation zitieren können. Es hätte sich sehr gut gehört. Denn Prof. Flassbeck zeigt in seinem zu Jahresbeginn veröffentlichten grossartigen Werk „Gescheitert. Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert“ überzeugend auf, wie Demokratie und Marktwirtschaft gefährdet sind, wenn Politik und Gesellschaft in Grundfesten von der Unternehmenslogik dominert werden.
„Der Markt kann an skrupellosen Marktteilnehmern, der Kapitalismus an den Kapitalisten scheitern. Es kommt nicht allein auf das richtige System an, sondern auf seine Akteure. Und reguliert der Markt sich selbst, gewähren sich viele dieser Akteure Narrenfreiheit“, schreibt de Weck am Schluss. Ein grandioses Buch, welches bestimmt zu den besten Büchern des Jahres 2009 in deutscher Sprache zählen dürfte.
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