Das ist eine interessante Abbildung, die Bloomberg neulich geliefert hat.
Es geht um die Vollbeschäftigung in den USA im historischen Vergleich.
In den Jahren 1949 bis 1979, bevor die Idee von NAIRU* (die die Inflation nicht beschleunigende Arbeitslosenquote) von den Zentralbanken fest umarmt wurde, befand sich die US-Wirtschaft zu zwei Dritteln der Zeit in Vollbeschäftigung.
Das Verhältnis fiel jedoch seit 1980 auf ein Drittel zurück.
Zur Erinnerung: Die Fed hat per Gesetz zwei Mandate: Preisstabilität und maximale Vollbeschäftigung.
Während die Inflation seit geraumer Zeit hinter dem Ziel der Fed zurück bleibt, fühlen sich die geldpolitischen Entscheidungsträger mittlerweile veranlasst, über den Teil „Vollbeschäftigung“ ihres Mandats wieder nachzudenken.
US Vollbeschäftigung, Graph: Matthew Boesler, Bloomberg, Apr 15, 2019
Die Zinspolitik der Fed stand seit Jahrzehnten von der Überzeugung geleitet, dass die Unterdrückung der Arbeitslosigkeit unter das sog. „natürliches“ Niveau inflationär wirkt.
Die Theorie war in den 1960er Jahren von dem konservativen Ökonomen Milton Friedman ausgearbeitet.
Nun ist es so, dass die Fed von 2015 bis 2018 die Leitzinsen schrittweise angehoben hat. Die Arbeitslosigkeit ist währenddessen gesunken, und zwar so dass die Einschätzung der natürlichen Rate unterschritten wurde. Doch die Inflation ist nicht angestiegen, wie das Modell vorhergesagt hat.
Bemerkenswert ist, dass auch der Anteil des Volkseinkommens, der auf Lohnempfänger entfällt (d.h. die Lohnquote) **, weiter geschrumpft ist.
Auf der von der Minneapolis Fed in der vergangenen Woche organisierten Konferenz hat Josh Bivens darauf hingewiesen, dass die Fed seit Ende der 1970er Jahre im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit unzureichende Wachsamkeit geschenkt hat.
There has been insufficient vigilance in fighting unemployment since the late 1970s, Graph: Josh Bivens @joshbivens_DC EconomicPolicy, Spring 2019 Institute Conference @MinneapolisFed
Es sind zwei gleichwertige Mandate. Aber das eine Mandat, Vollbeschäftigung, geniesst allem Anschein nach weniger Aufmerksamkeit.
Die Headline Arbeitslosenquote erfasst nämlich nur diejenigen, die aktiv Arbeit suchen. So werden beispielsweise Menschen, die nicht erwerbstätig sind, ignoriert, weil sie die Jobsuche aufgegeben haben. Die Folgen der GFC waren offenbar so gravierend, dass viele Menschen aus dem Erwerbsleben gedrängt wurden.
US productivity grew 6x faster than hourly compensation b/w 1979 and 2017 (1948-1979: productivity: 103.6%, wages 93.6% and 1979-2017: productivity: 70.3%, wages: 11.1%), Graph: Josh Bivens, Economic Policy Institute, Spring 2019 Conference Minneapolis Fed
Es ist daher anzunehmen, dass die gegenwärtige Arbeitslosenquote von 3,9% die wahre Schwäche (slack in the labour market) des Arbeitsmarktes nicht angemessen erfasst.
Wird das Schwergewicht einzig auf die Bekämpfung der Inflation gelegt, ist die Gefahr gegeben, dass hohe Sozialkosten entstehen, und zwar ein Form von Arbeitslosigkeit und v.a. Unterbeschäftigung.
(*) NAIRU: “Non-Accelerating Inflation Rate of Unemployment”
Die inflationsneutrale Arbeitslosenquote, d.h. die Arbeitslosenquote, die die Inflation nicht beschleunigt.
Die Zeit nach 1980 war von massiven Blasen geprägt wie z.B. Technologie und Immobilien, gefolgt der sog. „neoliberalen Wende“ mit Thatcher in Grossbritannien und Reagan in den USA im Amt.
Der gemeinsame Nenner des Wirtschaftskonzeptes der neo-konservativen Regierungen auf beiden Seiten des Atlantiks hatte „Deregulierung (Entlastung des Kapitals), Privatisierung (Verkleinerung des Staates) und Liberalisierung (Belastung der Arbeit)“ in den Mittelpunkt der Politik gestellt.
(**) Lohnquote: Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen.
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