Samstag, 5. Januar 2019

#PayGo und dann was? Defizitbesessenheit


Die Demokratische Partei feiert derzeit das epische Comeback von Nancy Pelosi an die Spitze des US-Kongresses. 

Die frisch gewählte Parlamentspräsidentin der USA ist nunmehr die mächtigste Gegenspielerin des US-Präsidenten Donald Trump.

Während die liberalen Demokraten die Madam Speaker bejubeln, haben die progressiven Demokraten etwas einzuwenden.

Worum geht‘s? 

Es geht darum, dass Pelosi allem Anschein nach an „paygo“ festhält. 

Das ist eine Regel, die verlangt, dass die Ausgabensteigerungen des Staates durch einen Ausgleich von Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen an anderer Stelle kompensiert werden müssen.

Gemeint ist im Grunde genommen ein ausgeglichenes Budget. In Europa würde man sagen: Schuldenbremse und/oder auf Neudeutsch „Schwarze Null“-Politik, oder ganz pathetisch: „fiskalpolitische Verantwortung“, d.h. an Defiziten sich die Zähne ausbeissen, auch wenn die Zinsen nahe Null-Grenze liegen und die öffentliche Infrastruktur marode ist.

Mechanische Regeln für Haushaltsdefizite sind eine wirklich schlechte Idee. Für Demokraten, die die Ausgaben der öffentlichen Hand in eine Zwangsjacke stecken, sieht es nach einem schlechten Schritt aus, kommentiert Paul Krugman in seiner Kolumne bei NYTimes.


Die Sektor-Bilanzen der US-Wirtschaft, Graph: Makroskop, Nov 06, 2018


Die Annahme der Regel ist jedoch ein Signal für demokratische Prioritäten; eine Stellungnahme, dass die Partei zutiefst besorgt über Haushaltsdefizite ist und die Bereitwilligkeit an den Tag legt, ihre anderen Ziele zu drosseln, um dieses Anliegen anzugehen. Ist das ein Signal, das die demokratische Partei wirklich senden sollte?

So fragt sich Krugman und erinnert daran, dass die Defizitbesessenheit in den Jahren nach der GFC äusserst destruktiv war und den Konservativen half, fiskalische Austerität (fiscal austerity) durchzusetzen, die die Erholung der Wirtschaft jahrelang gebremst hat. 

Eine strikte Haushaltsregel wird zudem nicht hilfreich sein, wenn früher oder später eine weitere Rezession eintritt.

Darüber hinaus gibt es Dinge, für die die Regierung auch bei „ausreichenden Arbeitsplätzen“ Geld ausgeben sollte. Dazu gehören beispielsweise die Wiederherstellung der sich verschlechternden Infrastruktur und die Unterstützung von Kindern für Bildung, Gesundheitsfürsorge und angemessene Ernährung, so Krugman weiter.

Es ist unumstritten, dass solche Ausgaben sich langfristig auszahlen. 

Der amerikanische Staat kann zurzeit sehr günstig Kredit aufnehmen. Der Zinssatz für inflationsgeschützte US-Treasury Bonds (TIPS) beträgt nur etwa 1%.

Die niedrigen Kreditkosten spiegeln wiederum scheinbar anhaltende Einsparungen wider. Das heisst, dass der private Sektor mehr sparen will, als er bereit ist, zu investieren, selbst bei sehr niedrigen Zinsen.

Vor diesem Hintergrund liegt nichts näher als die Frage, warum ein Teil der überschüssigen Ersparnisse nicht für öffentliche Investitionen verwendet werden soll?

Soll der Staat wirklich darauf verzichten, Geld für die Reparatur von Abwassersystemen oder für die Ernährung von Kindern auszugeben, nur weil damit das Haushaltsdefizit etwas ansteigt, während die zukünftigen Zinskosten davon kaum tangiert werden?

Wenn man sich die Sektor-Bilanzen der US-Wirtschaft ansieht, stellt man fest, dass die privaten Haushalte und Unternehmen einen Überschuss aufweisen, d.h. dass sie Netto-Sparer sind.

Warum ist es aber für die Demokraten so wichtig, sich als die Partei der „fiskalpolitischen Verantwortung“ zu präsentieren? Da ist es sicherlich nicht unangebracht, Skepsis anzubringen.

Die Fiskalpolitik kann eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung und Erreichung einer hohen wirtschaftlichen Aktivität spielen. Für die Durchführung von Fiskal Politik sollten grundlegende Prinzipien gelten.

Der fiskalpolitische Kurs sollte z.B. so festlegt werden, dass das Produktions- und Beschäftigungsniveau verbessert werden und nicht so, um ein beliebiges Haushaltsziel zu erreichen, schreibt Prof. Malcolm Sawyer in seinem lesenswerten Buch.

Es darf kein Versuch unternommen werden, der nationalen Regierung eine „Einheitsgrösse“ („one size fits all“) für die Fiskalpolitik aufzuerlegen, im Sinne von beliebigen numerischen Grenzen für das Ausmass der Haushaltsdefizite (ob eine Nullgrenze oder eine andere).

In diesem Sinn unterstreicht auch Prof. Peter Bofinger in einem aktuellen Interview mit Deutschlandfunk angesichts der EUR-Einführung vor genau 20 Jahren, dass das Schuldenstand-Kriterium sicher vollkommen willkürlich ist. 

Es gebe überhaupt keinen Grund, dass jetzt 60% Schuldenstand eine angemessene Grösse ist, so Bofinger weiter.

Fazit: Die „pay as you goRegel (Defizitbesessenheit à la USA) schafft unfaire Voraussetzungen: Die Republikaner verprassen das Geld umgehend auf Steuersenkungen für die Reichen, während die Demokraten dem Defizit den Tribut zollen müssen. Welche Partei geht eigentlich mit dem Defizit besser um?






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