Wie kann man sich angesichts der hohen Unterbeschäftigung über die Inflation Sorgen machen?
Paul Donovan, UBS unterstreicht in einem aktuellen Video-Beitrag, dass ein Anstieg der Nachfrage (nach der Aufhebung der „lockdown“-Massnahmen) nicht zu höheren Preisen führen werde.
Seiner Ansicht nach sprechen hauptsächlich zwei Aspekte gegen eine steigende Inflation: 1) Es gibt viele Bereiche der Wirtschaft mit freien Kapazitäten (z.B. Dienstleistungssektor) und 2) Unternehmen werden es sich zweimal überlegen, bevor sie mit höheren Preisen die Loyalität der Kunden riskieren.
Wir können vor diesem Hintergrund festhalten, dass die europäische Wirtschaft in Grunde genommen seit dem Ausbruch der GFC von 2008-2009 stagniert und von deflationären Kräften geprägt ist.
Was wir darüber hinaus gestützt auf unsere Erfahrungen aus der GFC-Ära erfassen können, ist, dass die Notenbanken nicht mehr viel unternehmen können, um den Schaden zu begrenzen.
Denn wenn die nominalen Zinsen nahe null Prozent liegen, ist es mit der Geldpolitik allein besonders schwer, eine Erholung einzuleiten. Notenbanken haben zwar elektronisch viel Geld gedrückt und verschiedene Arten von Vermögenswerten auf dem offenen Markt gekauft. Aber die Geldpolitik hat deutlich an Zugkraft verloren.
Was wir aber von Keynes wissen, ist, dass die Staatsausgaben uns retten können, wenn der gesamte Privatsektor (private Haushalte + Unternehmen) am Sparen ist.
In einer schwer angeschlagenen Wirtschaft stellen Defizite kein Problem dar, wie Paul Krugman in seinem Blog bei NYTimes hervorhebt.
Erinnern wir uns an all die Vorhersagen, dass die Kreditaufnahme der Staaten zu einem Anstieg der Inflation und der Zinssätze führen würde? Das ist nie eingetreten.
Schließlich gilt es zu erkennen, dass die Fiscal Austerity - die Kürzung der Staatsausgaben aufgrund von Ängsten vor einer Schulden-Spirale - katastrophal ist und den Einbruch erheblich vertieft.
Wir befinden uns also, wie Krugman weiter erklärt, derzeit auf einem sehr gut abgesteckten Terrain. Wir wissen, was wahrscheinlich helfen wird und was die Dinge noch schlimmer machen würde.
Definition von Unterbeschäftigung, Graph: Bundesamt für Statistik (Schweiz), August 2020.
Einkommenswachstum und Beschäftigung hängen zweifelsohne von Investitionen in Anlagekapital ab.
In Volkswirtschaften mit einem dominierenden Privatsektor werden solche Investitionen stark durch das Wachstum der Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und die Bereitstellung von Finanzmitteln zur Bezahlung solcher Investitionen beeinflusst.
Econ Kinky Dog, Graph: ACEMAXX Analytics, Aug 12, 2020
Die öffentliche Politik muss daher die Investitionen auf beiden Seiten, der Nachfrageseite und der Finanzseite, unterstützen, wie Heiner Flassbeck vor einigen Jahren erläutert hat.
Wir dürfen nicht vergessen: Die Unterbeschäftigung ist die neue Arbeitslosigkeit. In der Schweiz beläuft sich die Unterbeschäftigungsquote (per IVQ2019) bei Männern auf 21,6% und bei Frauen auf 19,0%. Das ist furchtbar.
Fazit: Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist eine positive Funktion des Produktionswachstums, nicht der sinkenden Löhne. Ohne Lohnwachstum gibt es keine Inflation.
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